Die "Oberrheinischen Nachrichten" schlagen die Einführung von Volksabstimmungen vor


"Eingesandt" in den "Oberrheinischen Nachrichten" [1]

1.2.1919

Das Recht des Volkes

Unter den vielen trefflichen Gedanken, die in der letzten Nummer der "Oberrhein. Nachrichten" ausgeführt waren, [2] scheint mir einer ganz besonders würdig, dass er weiter verfolgt werde. Es ist die Idee, dass in machen Fällen nicht der Landtag, sondern das Volk direkt entscheiden soll.

Liechtenstein hat politisch lange sanft geschlummert; man schrieb alle 4 Jahre auf einen Zettel die Wahlmänner, die dann den Landtag zu wählen hatten, sonst aber tat der gewöhnliche Mann nichts. Das Volk war eigentlich ganz ausgeschaltet in der Landespolitik, denn in der Presse konnte man damals die Ansichten noch nicht frei äussern. Gewiss sind heute in dieser Beziehung andere Verhältnisse; aber es sollte das politische Interesse des Einzelnen auch dadurch noch gesteigert werden, dass jeder stimmfähige Bürger in besonders wichtigen Fällen seine Stimme selbst abgeben dürfte. Das wäre nur eine Gleichstellung unserer Volksrechte mit denen des Schweizervolkes zum Beispiel. In jenen Fällen, in denen unsere Abgeordneten keine definitive Entscheidung treffen können, wie etwa in der Frage bezüglich der Festsetzung des Stimmrechtes mit 24 oder 21 Jahren, soll eine Volksabstimmung das letzte Wort sprechen. Es wäre auch viel besser, wenn die zwei Regierungsräte vom Volke gewählt würden. Wenn ein Volk eine Regierung haben muss, ist es nicht zum Segen des Landes; es soll die Regierung den Willen der gesamten Bürgerschaft darstellen, mit andern Worten: Ein Volk sollte zu seiner Regierung Vertrauen haben. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn es dieselbe nach eigenem Willen wählen kann. Erfüllt dann diese Regierung die in sie gesetzten Hoffnungen nicht, so wird sie bei der nächsten Wahl auf die Seite gestellt. Es darf nicht mehr vorkommen, dass ein Mann unser Land 10 oder 20 Jahre lang regiert, wenn er nicht wenigstens den grössten Teil der stimmfähigen Liechtensteiner für sich hat.

Da möchte der Landtag bei Gelegenheit die gesetzliche Grundlage schaffen, dass der Bürger jene Rechte bekommt, die er schon lange hätte haben sollen.

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[1] O.N., Nr. 5, 1.2.1919, S. 2.
[2] Vgl. O.N., Nr. 4, 25.1.1919, S. 1 ("Zu unserer Landes-Politik").