Einem Brand in Vaduz (Altenbach) fallen 19 Wohnhäuser und 21 Ställe zum Opfer


Bericht im "Liechtensteiner Volksblatt" [1] 

25.10.1907

Grosser Brand

Eine Schreckensnacht, wie Vaduz sie kaum erlebt haben dürfte, liegt hinter uns. Am 20. Oktober nachts ½ 11 Uhr [2] wurden wir plötzlich durch den Feuerruf aufgeschreckt. Unheimlich heulte das Feuersignal, in welches sich die Töne der Sturmglocken mischten, durch die Nacht. In der Scheune des Fr. Jos. [Franz Josef] Wachter, [3] unmittelbar an den Biergarten des Alois Seger, in dem noch reges Leben herrschte, anstossend, war auf bisher noch unaufgeklärte Weise Feuer ausgebrochen, welches durch die schon lange anhaltende Trockenheit und den herrschenden Föhnwind begünstigt, mit rasender Schnelligkeit die nächstliegenden Gebäude ergriff und von starkem Windzuge angefacht, die in der Windrichtung liegenden Dorfteile mit einem Feuerregen überschüttete. Die ganze Häusergruppe "Altenbach" von der Landstrasse bis ins Mitteldorf war in kürzester Zeit in Rauch und Flammen eingehüllt und deren aus dem Schlafe aufgeschreckten Bewohner konnten nur den geringsten Teil ihrer Habe, die nächstliegenden kaum das nackte Leben retten. Es war grauenhaft anzusehen, wie das vom Winde getriebene Feuer von der Mitte des "Altenbaches" für den Augenblick die nächstliegenden Häuser überspringend das Haus des Schreinermeisters Joh. [Johann] Ospelt im Mitteldorf ergriff, das in wenigen Minuten wie eine Pechfackel brannte und sein Sprühfeuer bis ins Oberdorf und weiter dem Walde entgegen sandte. Die Hilfe der hiesigen Feuerwehr erwies sich trotz grösster Anstrengung, bei der herrschenden Verwirrung und dem starken Windzuge als durchaus unzulänglich. An eine Lokalisierung des rasenden Elementes konnte erst gedacht werden, als die Feuerwehren der Nachbardörfer und aus der Schweiz eintrafen, deren Wirksamkeit durch den herrschenden Wassermangel sehr erschwert wurde.

So enthüllte denn der anbrechende Morgen ein entsetzliches Bild der Zerstörung. An der Stelle, wo vor wenigen Stunden 19 Wohnhäuser und 21 Ställe gestanden hatten, war nichts mehr als ein rauchender Trümmerhaufen und darunter begraben das Ergebnis harter Mühe und Arbeit, die grösstenteils eingeheimsten Feldfrüchte, die sämtlichen Futtervorräte, Mobiliar usw., kurz gesagt, das Glück und der Wohlstand der hart betroffenen Bewohner. Eine traurige Perspektive im Hinblick auf den herannahenden Winter.

Wie ein Wunder ist es anzusehen, dass mitten im Brandplatze die beiden alten aus Holz erbauten Wohnhäuser samt Stallungen des Zimmermeisters Ferd. [Ferdinand] Ospelt und des Postboten Joh. Töni [Johann Thöny] vom Feuer verschont blieben. Auch die an der Berglehne stehenden Häuser der Witwe [Maria Agatha] Wolf und des Sattlermeisters Joh. [Johann] Seger, sowie das Wohnhaus des Torkelmeisters Joh. [Johann] Verling wurden gerettet.

Hier eröffnet sich nun der öffentlichen Wohltätigkeit ein grosses Feld; [4] es liegt aber auch in den rauchenden Trümmern eine ernste Warnung für die Gemeinde Vaduz, sich endlich auf die Durchführung einer ausreichenden, den finanziellen Verhältnissen entsprechenden Wasserversorgung zu einigen, um in Zukunft ähnlichen Katastrophen wirksamer entgegentreten zu können. [5]

Sämtliche abgebrannten Gebäulichkeiten sind versichert. Mit der Versicherung von Mobiliar und Fahrnissen wirds schlimmer bestellt sein. [6]

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[1] L.Vo., Nr. 43, 25.10.1907, S. 1-2. Vgl. L.Vo., Nr. 44, 1.11.1907 ("Verzeichnis der für die Brandgeschädigten in Vaduz eingegangenen Liebesgaben") und Vorarlberger Landes-Zeitung, Nr. 245, 24.10.1907 ("Zum Brand in Vaduz"). Vgl. des weiteren LI GAV A 1/125/01-69. Vgl. auch den Brand in Triesen im Jahre 1913 (siehe den Spendenaufruf eines Hilfskomitees unter Kooperator Peter Oswald Bast (L.Vo., Nr. 13, 28.3.1913, S. 1 ("Aufruf!")).
[2] In der Nacht vom 20. auf den 21.10.1907.
[3] Franz Josef Wachter erklärte in der Folge, es sei durch nichts erwiesen, dass das Feuer in seiner Scheune ausgebrochen sei. Dies sei auch deswegen unwahrscheinlich, weil weder er noch seine Söhne rauchten und sein Anwesen elektrisch beleuchtet gewesen sei (L.Vo., Nr. 44, 1.11.1907, S. 1 ("Zum Brande in Vaduz")).
[4] Landesverweser Karl von In der Maur erteilte am 28.10.1907 im Sinne der Verordnung vom 19.7.1905 betreffend die Sammlung milder Gaben im Fürstentum Liechtenstein, LGBl. 1905 Nr. 1, in allen Gemeinden die Bewilligung, eine Sammlung bei "bekannten Wohltätern" oder "nach Gutfinden von Haus zu Haus" für die Brandgeschädigten in Vaduz zu veranstalten (vgl. L.Vo., Nr. 44, 1.11.1907, S. 1 ("Kundmachung"); LI LA RE 1907/1844 ad 1797). Fürst Johann II. sprach telegraphisch "in herzlichen Worten" sein Bedauern über das Unglück aus und stellte den betroffenen Personen "zur Linderung der augenblicklichen Not" 2000 Kronen zur Verfügung (vgl. L.Vo., Nr. 43, 25.10.1907, S. 1 ("Spende Seiner Durchlaucht"); Telegramm von Fürst Johann an In der Maur vom 22.10.1907 (LI LA RE 1907/1805 ad 1797)). In der öffentlichen Landtagssitzung vom 14.12.1907 wurde festgehalten, dass der Gemeinde Vaduz durch das Brandunglück und die Regulierung der Brandstätte Kosten von 12'000 bis 15'000 Kronen entstanden waren. Zum Zwecke der Regulierung der Brandstätte genehmigte der Landtag einstimmig eine Landessubvention von 2000 Kronen mit der Massgabe, dass diese Subvention erst nach der Durchführung der Regulierung zuhanden der Gemeinde Vaduz ausgefolgt werden durfte (vgl. LI LA LTA 1907/S04/2).
[5] Die "Vorarlberger Landes-Zeitung" bemerkte, dass schon vor 2 Jahren die grössten Anstrengungen unternommen worden seien, um die Erstellung einer Hydrantenanlage durchzusetzen, "allein umsonst, und es wird gesagt, dass gerade ein Teil der Bewohner des nun in Schutt und Trümmern liegenden Mitteldorfes die ärgsten Gegner gewesen seien" (vgl. Vorarlberger Landes-Zeitung, Nr. 245, 24.10.1907, S. 3 ("Zum Brand in Vaduz")).
[6] Vgl. das "Verzeichnis der von dem Brande in Vaduz am 20. Oktober 1907 Betroffenen, der von diesen für die verbrannten beziehungsweise geschädigten Objekte versicherten Beträge und der liquidierten Entschädigungen" vom 30.11.1907 (Beilage zu LI LA RE 1907/1942 ad 1797). Die liquidierten Entschädigungen für versicherte Immobilien und Mobilien beliefen sich auf insgesamt 189'389 Kronen (Leipziger Feuerversicherungsanstalt in Wien, Assicurazioni Generali in Triest, Riunioni Adriatica di Sicurtà in Triest, Basler Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden, Österreichischer Phönix in Wien, North British and mercantile Insurance Company, Tiroler Brandversicherung und die Donau Versicherung in Wien).