Lehrer Gustav Schädler hält einen Vortrag über den Ersten Weltkrieg


Artikel im „Liechtensteiner Volksblatt" [1]

5.12.1914

Triesenberg

Am letzten Sonntag nachmittag [2] hatte der Leseverein ein vollbesetztes Haus, waren doch nebst den Mitgliedern noch andere Neugierige herbeigeeilt, um einen Vortrag ihres Mitbürgers, des Hrn. Reallehrers G. [Gustav] Schädler anzuhören. Krieg, Krieg und wiederum Krieg ist heute das Tagesgespräch und so war auch dem Vortragenden das Zeitgemässe im Vortragsgegenstand des Krieges gegeben. Erstlich erörterte der Redner die früheren und gegenwärtigen Verhältnisse der kriegführenden Staaten in sich und unter einander. Und wie man aus einer Frucht den Kern schält, so folgerte Herr Schädler aus den vorliegenden Verhältnissen die Ursachen des Krieges einerseits und die Neutralität anderseits. Am schlechtesten kommen die Engländer weg, deren Neid auf das aufblühende und rivalisierende Deutschland als Hauptursache des Weltkrieges geschildert wurde. [3] Teils politische, teils wirtschaftliche Interessen verurteilten Frankreich und Russland zur Gefolgschaft Englands, welches als echte Krämerseele es verstand, die Verbündeten zu verhetzen, damit sie ihm die Kastanien aus dem Feuer holten, während es selbst dem Ballspiele obliegt. Der Mord in Sarajevo und die Neutralitätsverletzung von Belgien sind nur willkommener Anlass das längst volle Pulverfass zu entzünden. Mit und ohne Beigeschmack wird der Stellung Belgiens und Italiens, Portugals etc. gedacht und die Türkei als eine gute Hilfe gegen den Dreierbund [4] erklärt und auch neue Konstellationen der Staaten angedeutet. Anschliessend wurden noch einige Erklärungen der Kriegswaffen etc. gegeben. Zum Schlusse ermangelte eine eröffnete Diskussion der Beteiligung, weil hierzulande dieser Geisteskrieg ein noch ziemlich unbekanntes Land ist. Als die Leute ca. 4 Uhr auseinander gingen, hegten sie mit der grössten Befriedigung die angenehmste Hoffnung, den Redner bald wieder zu hören. Also mit tausend Dank und auf baldiges Wiedersehen! [5]

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[1] L.Vo., Nr. 49, 5.12.1914, S. 1.
[2] 29.11.1914.
[3] Zur anfänglichen Kriegsbegeisterung bzw. dem Hoffen in Liechtenstein auf einen Sieg der Mittelmächte vgl. etwa L.Vo., Nr. 34, 22.8.1914, S. 2 („Der Weltkrieg").
[4] Grossbritannien, Frankreich und Russland.
[5] Vgl. den Bericht über eine weiteren Vortrag von Gustav Schädler in: L.Vo., Nr. 50, 15.12.1916, S. 2 („Triesenberg").