Die "Oberrheinischen Nachrichten" bezeichnen den Regierungsstil von Landesverweser Karl von In der Maur im Rückblick als tyrannischen "Indermaurismus"


"Eingesandt" in den "Oberrheinischen Nachrichten" [1]

31.5.1919

Zurechtweisung

In dem gegnerischen Blatte wird es gerügt, dass in diesem Blatte das Vorgehen [Karl von] In der Maurs gegen Postmeister [Joseph] Schlegel sel. beleuchtet wurde. [2] Wir greifen nicht dessen Persönlichkeit an. Die Taten als Mensch lassen wir ebenfalls ruhen, wenn wir ihn auch nicht als "edlen" Toten kennen. Das mag er ja für einige gewesen sein. In der Maur war in öffentlicher Stellung hier tätig und Leute in öffentlichen Stellungen dürfen auch kritisiert werden. Wäre das nicht erlaubt, dann dürfte ein Lehrer der Geschichte über geschichtliche Persönlichkeiten nicht urteilen oder nur loben. Unter Indermaurismus ist bei uns eben ein verächtliches, absolutistisches, spitzelhaftes Verwaltungssystem gekennzeichnet, bei dem ein aufrechter, nicht kriechender Liechtensteiner in seinem Heimatlande schlechter als ein Fremdling behandelt wurde. Wer nicht zu kriechen verstand, war nicht genehm, und wer nicht genehm war, den liess man seine Macht sehr fühlen. Die Geisselung dieses Indermaurismus schadet unserm Lande absolut nicht. Wieso denn? Als eine Herausforderung betrachten wir aber diese unverdienten Lobhudeleien. Dieses Indermaursystem hat seine Vorläufer im Schuppler- und Harprecht-System. [3] Dieses traurige Zeitalter liechtensteinischer Fremdlingsherrschaft und Knechtung ist mit Verachtung in unserer Erinnerung. Niemals mehr dulden Liechtensteiner ein solches Fremdlingsregiment. Mögen doch die Interessenten die lang Leidenden verstehen!

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[1] O.N., Nr. 39, 31.5.1919, S. 2.
[2] Die "Oberrheinischen Nachrichten" hatten im Nachruf auf den am 25.4.1919 verstorbenen Schlegel erwähnt, dieser habe "seinen demokratischen Sinn unter dem bei uns in den vorigen zwei Jahrzehnten herrschenden Absolutismus bitter büssen" müssen. In der Maur habe veranlasst, dass Schlegel seiner Stelle enthoben wurde, die Rücknahme der Kündigung sei einzig aufgrund der Einsicht der österreichischen Behörden in die "obwaltenden politischen Verhältnisse" geschehen (O.N., Nr. 33, 10.5.1919, S. 2, "Alt Postmeister Josef Schlegel †"; vgl. auch O.N., Nr. 30, 30.4.1919, S. 2, "Nendeln"). Das "Liechtensteiner Volksblatt" wies diese "Angriffe auf einen edlen Toten, der unserm Lande und unserm Fürsten [Johann II.] mit ganzer Hingebung durch fast 3 Jahrzehnte diente" zurück (L.Vo., Nr. 42, 28.5.1919, S. 1f., "Zurückweisung"). Zur Stellenenthebung von Schlegel und deren Rücknahme vgl. LI LA RE 1903/1824; LI LA RE 1904/0009.
[3] Joseph Schuppler, 1808-1827 Landvogt in Vaduz, und Stephan Christoph Harpprecht von Harpprechtstein, 1718/21 fürstlicher Kommissar, waren wegen ihrer mit grosser Geschwindigkeit und Strenge durchgesetzten Reformen bei der Bevölkerung höchst unbeliebt.