Landesverweser Prinz Karl berichtet über die Parteien- und Volksstimmung in der Peer- bzw. Landesverweserfrage


Maschinenschriftliches Schreiben von Landesverweser Prinz Karl an Prinz Eduard [1]

13.4.1920

Euere Durchlaucht!

In Erledigung des sehr geschätzten Briefes Euerer Durchlaucht vom 6. d. M. [2] beehre ich mich, angeschlossen ein Verzeichnis [3] der im Landesverweserhause vorhandenen Inventarstücke zu übermitteln. Bezüglich der Erträgnisse der zum Hause gehörigen Deputatgründe [4] konnte ich nichts Bestimmtes erfahren. Keiner der früheren Nutzniesser hat Aufschreibungen in dieser Richtung hinterlassen. Ich glaube aber nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, dass der Obstertrag der Landesverweserbünt in einem mittleren Jahre etwa 1500 kg. beträgt. Was der Gemüsegarten trägt, ist mir gänzlich unbekannt. In dieser Hinsicht wird eine Hausfrau am Besten Auskunft geben können, wie viel das Erträgnis nach dem Flächenmasse betragen wird. Auch bezüglich des Graswuchses kann ich Sachdienliches nicht mitteilen, weil bisher immer der Kutscher das Grundstück gemäht und das Gras benützt hat.

Durch eine Indiskretion ist nun die Landesverweserfrage bereits in den hiesigen Blättern aufgerollt worden. [5] Wenn ich auch annehme, dass der Protest der O.N. [„Oberrheinische Nachrichten"] mehr ein papierner ist, so glaube ich doch, dass es besser gewesen wäre, im Gegenstande noch nichts verlauten zu lassen. Schon in den letzten Tagen haben die Delegierten beider Parteien zur Landesverweserfrage Stellung genommen. Das Ergebnis der Beratungen der Bürgerpartei finden Euere Durchlaucht in der abschriftlich mitfolgenden Resolution [6] niedergelegt. Was die Volkspartei beraten hat, habe ich noch nicht erfahren, glaube aber, dass der erste Artikel der O.N. ein bezügliches Stimmungsbild gibt.

Soviel ich bisher erfahren konnte, ist die Volksstimmung gar nicht stark gegen den Plan. Dr. [Josef] Peer ist hier sehr bekannt und ich habe nichts gehört, was gegen ihn sprechen würde. Auch Dr. [Wilhelm] Beck hat ja in seinem Blatte nichts gegen seine Person geschrieben. [7]

Indem ich weiteren Mitteilungen im Gegenstande entgegensehe, zeichne ich mit der Versicherung vorzüglichster Hochachtung

Euerer Durchlaucht

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[1] LI LA SF 01/1920/062. Ausserdem: LI LA V 003/1189.
[2] Schreiben von Prinz Eduard an Landesverweser Prinz Karl vom 6.4.1920 (LI LA SF 01/1920/062).
[3] Liegt nicht bei.
[4] Deputatlohn: Naturalienbezug, z.B. Lebensmittel und Brennholz.
[5] Die Rede ist von der ins Auge gefassten Bestellung von Josef Peer zum Landesverweser. Vgl. O.N., Nr. 28, 7.4.1920, S. 1 („Liechtenstein – den fremden Beamten") und L.Vo., Nr. 29, 10.4.1920, S. 1 („Zur Landesverweser-Frage").
[6] Die Resolution der Fortschrittlichen Bürgerpartei vom 11.4.1920 wurde der Regierung von Parteiobmann Franz Verling am 13.4.1920 zugesandt (LI LA SF 01/1920/068).
[7] Vgl. O.N., Nr. 28, 7.4.1920, S. 1 („Liechtenstein - den fremden Beamten"). Die Christlich-soziale Volkspartei hielt jedoch verschiedene Versammlungen ab, so am 18.4.1920 in Triesen, am 23.4.1920 in Vaduz und am 25.4. in Triesenberg und Balzers, und verabschiedete eine Protestresolution gegen die etwaige Bestellung von Peer zum Landesverweser (vgl. Schreiben von Anton Walser-Kirchthaler an die Regierung vom 26.4.1920 (LI LA SF 01/1920/072), Text der Protestresolution in: O.N., Nr. 32, 21.4.1920, S. 1 („Zur Landesverwesermache")). Am 23.4.1920 teilte der Landesverweser Prinz Karl der Gesandtschaft in Wien mit, dass in der Landesverweserfrage „die Hetze lustig weiter" gehe. Nachdem die Berufung Peers nicht unmittelbar vor der Türe stehe, bedauere er – Prinz Karl – es sehr lebhaft, dass „die Sache zu früh kund wurde" (Schreiben von Prinz Karl an Prinz Eduard (LI LA V 003/1189)).