Maschinenschriftliches Schreiben von Josef Hoop, Geschäftsträger in Wien, an die Kabinettskanzlei in Sternberg (Abschrift zuhanden Regierungschef Gustav Schädler) [1]
Wien, 6.8.1922
Ich sehe mich gezwungen, nocheinmal an die fürstliche Kabinettskanzlei mit folgenden Vorstellungen heranzutreten.
Die Dotation der fürstlich liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien ist eine so unzulängliche, dass ihr Prestige und vor allem das ihrer Auftraggeber, d.i. Seine Durchlaucht der Regierende Fürst [Johann II.] und das Fürstentum, stark gefährdet ist. Ich habe in der Zeit meiner Amtstätigkeit einige Erfahrungen gemacht, die alle an der Gesandtschaft Wien interessierten Kreise beelenden müssen.
Dem Gesandtschaftsdiener [Jakob] Maller, der sich täglich kein Kilogramm Kartoffeln kaufen kann, [2] sind von seinen Kollegen in Ministerien und Gesandtschaften Vorwürfe gemacht worden, dass er zerlumpt herum laufe. Das ist zweifellos sehr betrüblich. Maller steht auf dem nicht unverständlichen Standpunkt, dass er sich nicht zu schämen habe; das hätte die Kanzlei, die ihn ausschickt, für ihn zu besorgen.
Ich für meine Person kann auch nicht den allergeringsten, unumgänglich notwendigen Verpflichtungen nachkommen, nachdem mein Gehalt auch nur für 4 Kilogramm Kartoffeln hinreicht. Mangels Garderobe, die ich natürlich nicht ergänzen kann, werde ich in allerkürzester Zeit gezwungen sein, auch alle dienstlichen Besuche auf den Ministerien und Gesandtschaften fallen zu lassen.
Um nicht bemitleidenswert zu erscheinen, gehe ich auf verschiedene unglaublich klingende Einzelheiten nicht ein.
Ich gestatte mir jedoch zu erwähnen, dass ich gezwungen bin, einen Nebenerwerb zu suchen, sei es mit meiner Stellung vereinbar oder nicht.
Nachdem ich es für meine Pflicht erachte, die fürstliche Regierung von der Unmöglichkeit, meinen Verpflichtungen nachzukommen, zu unterrichten, ergeht eine Abschrift dieses Berichtes an den Herrn Regierungschef Schädler nach Vaduz. [3]
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[1] LI LA RE 1922/3646. Aktenzeichen: 194/1/XIV.1922. Das Schreiben langte am 10.8.1922 bei der Regierung ein. Ein handschriftlicher Entwurf unter LI LA V 003/1212.
[2] Der Monatslohn von Maller betrug Anfang 1922 17'000 Kronen. Hoop hatte sich bereits im April 1922 für eine Gehaltserhöhung eingesetzt (LI LA V 003/1203, Hoop an Kabinettskanzlei, 7.4.1922). Über den Erfolg dieser Bemühungen ist nichts bekannt.
[3] Die Regierung ersuchte die Kabinettskanzlei mit Schreiben vom 12.8.1922, dem Personal der Gesandtschaft "für die voraussichtlich nicht mehr lange Zeit des Fortbestandes derselben durch eine angemessene Entlohnung ein menschenwürdiges Fortkommen" zu ermöglichen (LI LA RE 1922/3646). Die Kabinettskanzlei bewilligte Hoop darauf eine Repräsentationszulage von jährlich 4800 tschechoslowakischen Kronen (LI LA V 003/1212, Aktenvermerk Hoop, 19.8.1922; Erlass Kabinettskanzlei, 4.9.1922; LI LA RE 1922/4104 ad 3646; Hoop an Schädler, 7.9.).