Beitrag in den „Oberrheinischen Nachrichten", verfasst von Wilhelm Beck [1]
30.6.1920
Verfassungs-Entwurf
für das Fürstentum Liechtenstein
Art. 84. Jeder Thronfolger wird noch von Entgegennahme der Erbhuldigung unter Bezug auf fürstliche Ehren und Würden in einer schriftlichen Urkunde an Eidesstatt aussprechen, dass er das Fürstentum Liechtenstein in Gemässheit der Verfassung und den Gesetzen regieren und seine Integrität erhalten werde. [2]
Art. 85. Alle Staatsdiener, Beamten und Ortsvorsteher schwören beim Dienstantritte folgenden Eid:
„Ich schwöre Treue dem Landesfürsten, Gehorsam den Gesetzen und Beobachtung der Landesverfassung."
Sie sind alle ohne Ausnahme für die genaue Einhaltung der Verfassung in ihrem Wirkungskreis verantwortlich. [3]
Art. 86. Alle Gesetze, Verordnungen und Gewohnheiten, die mit einer Bestimmung dieser Verfassung ausdrücklich oder ihrem Sinne nach im Widerspruche stehen, sind hiedurch aufgehoben.
Die bestehenden Gesetze und Verordnungen, welche mit dem Inkrafttreten der Verfassung teilweise aufgehoben werden, sind ehestens zu revidieren.
Die in der Verfassung vorgesehenen Gesetze sind mit tunlichster Beförderung von der Regierung zu entwerfen und verfassungsmässig zu behandeln und zu erlassen.
Art. 87. Auf Grund dieser Verfassung hat die Neuwahl des Landtages und der Regierung stattzufinden. [4]
______________
[1] O.N., Nr. 52, 30.6.1920, S. 2 ("Verfassungs-Entwurf für das Fürstentum Liechtenstein"). Die Teile 1-5 des Entwurfes wurden abgedruckt in: O.N., Nr. 47, 12.6.1920, S. 1; O.N., Nr. 48, 16.6.1920, S. 1; O.N., Nr. 49, 19.6.1920, S. 1; O.N., Nr. 50, 23.6.1920, S. 1-2; O.N., Nr. 51, 26.6.1920, S. 1.
[2] Vgl. § 123 der liechtensteinischen Verfassung vom 26.9.1862.
[3] Vgl. § 124 Abs. 1-3 Verfassung 1862.
[4] Die „Oberrheinischen Nachrichten" kündigten für die nächsten Nummern eine Stellungnahme zum Verfassungsentwurf an (O.N., Nr. 52, 30.6.1920, S. 2 („Verfassungsentwurf")). Der Entwurf sei durch die Zeitumstände und neu auftauchenden Volksforderungen zum Teil überholt. Manche Bestimmung müsse demokratischer ausgestaltet werden. „Wenn das die fstl. Ratgeber doch einsehen möchten." Eine eigentliche Kommentierung des Entwurfes unterblieb jedoch in der Folge. Vgl. jedoch die im „Liechtensteiner Volksblatt" und in den „Oberrheinischen Nachrichten" ausgetragene „Zeitungsfehde" zwischen Prinz Eduard und Wilhelm Beck vom Juli und August 1920.