Caesar Hochstetter wendet sich mit einer Anfrage an Rheinberger, dessen Kompositionen für die linke Hand betreffend.


Wiesbaden, 14.11.1901.

Hochgeehrter Herr Professor!

Ein Ihnen wahrscheinlich unbekannter College möchte sich beehren, sich eines wissenschaftlichen Werkes wegen an Sie zu wenden.

Seit einiger Zeit arbeite ich an einem Werke über „Die linke Hand[1] “, das ich vom anatomischen, physiologischen, historisch-philosophischen und hauptsächlich vom pädagogisch-pianistischen Standpunkte aus erörtere. Da mir Ihre schönen linkshändigen Clavierstücke bekannt sind, vermute ich, dass auch Sie, hochverehrter Meister, einen besonderen Grund hatten, für die im allgemeinen stiefmütterlich behandelte Linke Stücke zu komponieren. Darf ich Sie ergebenst fragen, welche war die direkte oder indirekte Veranlassung zu diesen Kompositionen, womit wohl die Frage verknüpft sein dürfte, welche Erfahrung haben Sie im allgemeinen bei Ihren Schülern in Bezug auf die linke Hand gemacht?

Ich bin weit entfernt, den Sport eines linkshändigen Clavierspiels empfehlen zu wollen, sondern ich möchte nur einen Beitrag zur rationellen Ausbildung der linken Hand liefern.

Die bedeutendsten Autoritäten haben mich für meine Arbeit mit ihrem Rat unterstützt. Graf Géza Zichy übergab mir kostbares Material; seiner Einladung folgend, begab ich mich Anfang Januar d. J. nach Budapest, um von ihm sein neues linkshändiges Clavier-Concert mit Orchesterbegleitung zu hören. Ich habe darüber u. a. im Musikalischen Wochenblatt in Leipzig (v. 24. Januar) berichtet.

Ich wage die Hoffnung auszusprechen, dass auch Sie, verehrter Meister, mich mit Ihrem kostbaren Rat unterstützen werden, um so mehr, als ich in dem „pianistischen Capitel“ speciell auch Ihre Compositionen erwähnen möchte. Im voraus geziemend für eine freundliche Antwort dankend, bin ich in vorzüglichster Hochschätzung

ganz ergebenst
Caesar Hochstetter.

 

 

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[1] Kompositionen für die linke Hand = Sechs Pianoforte-Studien für die linke Hand allein, op. 113, komp. 1878 und 1882