Rheinberger berichtet seiner Nichte Olga über seinen angegriffenen Gesundheitszustand und bittet um Informationen betreffend ihrer finanziellen Situation.


München den 31.1.01.

Meine liebe Olga!

Du wirst doch nicht krank sein, da ich schon so lange kein Lebenszeichen mehr von Dir erhalten habe? Egon berichtete zwar über den traurigen Verlust[1] Deiner Mama, aber von Dir hörte und sah ich nichts, so dass ich auf die Idee kam, Du seiest krank.

Bis Neujahr gings mir leidlich - der Januar mit seiner Kälte aber hat mir sehr zugesetzt, so dass ich im Sinn habe, im Sommer in Pension zu gehen - unter uns gesagt. - Es wäre mir auch lieb, wenn Du mir genau und aufrichtig über Eure Vermögensverhältnisse und sicheres Einkommen berichten würdest; da ich jetzt Euer Senior bin, wirst Du wohl Vertrauen haben. Es ist dies natürlich nicht Neugier, hat aber in Eurem Interesse Einfluss auf Dispositionen, die ich treffen werde. Sollte ich einmal ernstlich erkranken, so müsstest Du es möglich machen, auf einige Wochen zu mir zu kommen, da ich doch nicht Alles mit Dienstboten richten kann. Es wäre ja doch gewiss in Vaduz eine tüchtige ordentliche Frauensperson aufzutreiben, die in diesem Fall auf einige Zeit zur Emma in's rothe Haus zöge. Es ist ja Gottlob noch nicht so weit, aber ein vernünftiger Mensch soll an Alles denken, um nicht schliesslich überrascht zu werden. Schwester Maxentia schreibt, dass der Zustand Herminen's unverändert sei. Nun adieu, liebe Olga und Emma, bleibt gesund und Du, liebe Olga, schreibe bald Deinem

treuen Onkel
Jos. Rheinberger.

 

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[1] Verlust Deiner Mama = Theresia Rheinberger, geb. 1834 war die Tochter des Löwenwirtes und Advocaten Josef Anton Rheinberger in Vaduz. 1863 verheiratete sie sich mit Josef Rheinbergers Bruder Peter. Sie starb am 14. Januar 1901.