München 16.10.00.
Meine liebe Olga!
Nun bist Du wahrscheinlich mit „Wimmeln“[1] beschäftigt - ich wünsche Euch einen recht guten Ertrag nach so vielen geringen Jahren! Zur Oktoberfestzeit fuhr ich, das herrliche Wetter benützend, auf die Festwiese und in die dortige Mozartstrasse um Nebesky's zu besuchen. Sie erzählten viel von Euch, was mein „onkeliches“ (ein neues Wort!) Herz sehr erfreute. -
Sonntags war die „Ühda“ da; sie war mit ihrem Bruder, der wirklich ein eminenter Arzt geworden ist, drei Wochen in Paris; da gab es zu erzählen.
Heute Nacht hat sich über meinem Zimmer der Bezold-Karl erschossen! Du kannst Dir die Verzweiflung der armen Eltern vorstellen! Einundzwanzig Jahre alt und einziges Kind! -
Rath Auracher ist recht herzkrank, er musste pensionirt werden. - Mir geht es ziemlich gut - doch fürchte ich für den Winter; möge er besser werden als der letzte war! Schreibe mir bald, Du oder die liebe Emma, und seid herzlich gegrüsst von
Eurem Onkel
Jos. Rheinberger.
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[1] „Wimmeln“ = Traubenlese (vgl. Anm. zu S. 43/ Z. 25f.)