Otto Bever gratuliert seinem Freund Rheinberger zur Ernennung zum Geheimrat


München 9. August 1899

Mein lieber Freund und guter Herr Geheimrath!

Vor wenigen Stunden hat mein Herr Minister mir von wichtigen Ereignissen erzählt, die im Monat Juli stattgefunden und die weitesten Kreise lebhaft interessirt haben: Das Jubiläum der Akademie der Tonkunst[1], das As dur Klavierconzert, der neue Herr Geheimrath. Ich bin der letzte Europäer der davon erfährt, denn ich brachte den letzten Monat in fast völliger Weltentrückheit zu. So komme ich denn lange post festum und bringe Dir meinen herzlichen Glückwunsch dar zu der grossen Auszeichnung. Ich glaube nicht, dass Du als Geheimrath sehr wesentlich viel fröhlicher leben und fester schlafen wirst, aber Freude musst Du auch haben, wenn Du bedenkst, dass eine ähnliche Auszeich- nung noch niemals einem Musiker zu Theil geworden ist und dass die Huldigung, die man Dir dargebracht hat, eine rein persönliche Bedeutung hat. Sie gilt dem Componisten und dem Menschen und das Jubiläum der Musikschule war ein zufälliger und sehr willkommener Anlass.

Ich glaube, auch niemals hat mich eine Auszeichnung so hell erfreut wie diese. Auch mein Chef, der wie Du weisst, zu Deinen unbedingtesten und ungleich verständnissvollsten Anhängern gehört, zeigte deutlich, dass das freudige Interesse an Deiner Ehrung bei ihm ein sehr nachhaltiges ist. Dein neues Trio[2] hat's ihm wieder angethan und schier noch mehr das As dur Conzert, das er über alle Klavierconzerte stellt, die Beethovenschen allenfalls ausgenommen. Ich habe es einmal gehört und mein Eindruck ist ein ähnlicher. Dass ich dem Fest nicht beiwohnen konnte, ist mir nachträglich schmerzlich, und das ich bis heute keine Silbe davon gehört habe, ist ein Zeichen wie vollkommen meine Verschollenheit war. 14 Tage lang war ich thatsächlich durch keine Nachricht erreichbar und 3 Wochen lang las ich keine deutsche Zeitung - die ich im allgemeinen schmerzlos entbehren konnte.

Meine Reise im Inneren von Norwegen war voll von herrlichen Bildern und liebenswürdigen Eindrücken. Sie ging von Christiana über den Randsfjord und das lange Thal Valdres nach dem Sognefjord, Stahlheim, Bergen, dann zurück durch Telemarken nach der Hauptstadt, wo jetzt die Friedensfreunde[3] ihre mehr wohlgemeinten als praktisch wirksamen Feste feierten.

Ob Du wohl Dich verleiten lässt, meinen Spuren erröthend zu folgen? Ich möchte es bezweifeln. Um, wie ich nebst Schwester (!) es that, binnen 30 Tagen in 23 verschiedenen Betten zu schlafen, muss man eben noch sehr jung sein und ich bin ja bekanntlich so sehr viel jünger als Du. Für das schöne Kreuth wünsche ich Dir alles Gute: Zimmer, Gesellschaft, Wetter. Ich meinerseits bin über den Eintritt kühlen Regens sehr glücklich.

Grüsse, bitte, den lieben Staatsrath Völlderndorff, dem es hoffentlich befriedigend geht.

Dein alter Getreuer
0. Bever.

 

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[1]Jubiläum der Akademie der Tonkunst = Am 13. Juli 1899 fand im grossen Odeons-Saal Ein „Fest-Konzert zur Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens der k. Akademie der Tonkunst als Staatsanstalt“ statt. Bei dieser Gelegenheit wurde u. a. neben Werken Mozarts und Händels das Klavierkonzert in As-dur, op. 94, von Josef Rheinberger aufgeführt. Den Solopart spielte der Student Hugo Rahner, Schüler der Professoren Kellermann und Rheinberger.
[2] Dein neues Trio = s. S. 120/Z. 21.
[3] die Friedensfreunde = in Den Haag war die Friedenskonferenz über die friedliche Beilegung internationaler Konflikte und die Festsetzung einer Landkriegsordnung zu Ende gegangen.