Wien, den 17. März 1898
Lieber, theurer Freund.
Wenn ich Dich bitte, mich mit allenfalls neu erschienenen Werken Deiner Muse in Kenntniss zu setzen, so sage ich Dir im Voraus besten Dank, weisst Du doch, dass ich unwandelbar Deinen Schöpfungen das regste Interesse entgegenbringe, umsomehr jetzt, da ich so glücklich bin, mich ihnen durch fleissiges Studium und plenty of time recht widmen, mich mit ihnen identificiren kann. Wie bei allem Schönen - Grossen in der Musik gilt dies auch bei Deinen Werken, je öfter man sie hört und spielt, desto grösser ist die innere seelische Freude daran. -
Vorgestern sang der Verein der Eisenbahn-Beamten Deine „Johannisnacht“[1], wovon ich Dir nebst länger vorenthaltenen Kirchenmusikprogrammen, den Zettel beifüge. Der Chor ist gar schön und gefiel nicht nur mir sehr gut, wurde auch sehr schön gesungen. - Bitte lieber Freund, erfreue mich mit Deinen angenehmen Nachrichten, und sei herzlich gegrüsst von
Deinem treuen alten
Johann Mayer.
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[1] Deine „Johannisnacht“ = für vier Männerstimmen mit Klavierbegleitung, Gedicht von F. A. Muth, op. 91, komp. 1875.