München, 6. Dez. 1897.
Hochgeehrtester Herr Director!
Da endlich der Druck meines Vortrages beginnt, so möchte ich mich doch vergewissern, ob ich die auf Sie bezügliche Stelle richtig formuliert habe:
Im „Thale des Espingo“[1], wo die Mauren eine ausgedehnte Landschaft vor sich erblicken, lässt Rheinberger das hohe A der Geigen einige Tacte lang forttönen, indem er die räumliche Ausdehnung mit der zeitlichen übersetzt. Eine Unterredung mit dem hochverehrten Herrn Componisten giebt mir die Gewähr, dass ich nicht hineininterpretiere: „es ist, wie wenn man von den Appenninen kommt und die Toskana vor sich sieht.“
Oder soll das lange A bedeuten, dass die Mauren stille stehen? Entschuldigen Sie diese Frage; die Wissenschaft verlangt bestimmte Begriffe, und vor dem Publikum soll man sich scharf ausdrücken, und dasselbe nicht benebeln, wie leider so oft geschieht.
Hochachtungsvollst
Prof. Dr. Ed. v. Wölfflin.
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[1] im „Thale des Espingo“ = Ballade (Paul Heyse) für Männerchor und grosses Orchester, op. 50.