Der Philologe Eduard Wölfflin schreibt an Rheinberger über den wunderthätigen Magus und diverse Plagiatsvorwürfe


München, 23. Oktb. 1897.

Hochgeehrtester Herr Professor!

Da ich den zweiten Theil meines Akademievortrages erst am 6. November zu halten habe und der Druck dann vor Neujahr kaum vollendet sein wird, so kann ich Ihnen heute nur schriftlich für den wunderthätigen Magus[1] danken, welchen ich in meinem Manuscripte an betreffender Stelle eingereiht habe. Bei der Reinschrift mochte ich den Guillaume Tell von Grétry als Vorbild Rossinis doch nicht preisgeben. Dass Rossini in Italien nichts von Grétry hörte, ist ja klar; allein der Wilhelm Tell ist ja 1829 geschrieben, nachdem der Meister mindestens 5 Jahre in der Hauptstadt Frankreichs gelebt hatte.

Wenn einmal ein abgehender Conservatorist sich einen wissenschaftlichen Luxus gönnen wollte, könnte er Grétry und Paisiello mit Rossini vergleichen und feststellen, wieweit der Vorwurf des Plagiates, den schon Zeitgenossen erhoben, begründet sei; nur bezog sich die Polemik bloss auf den Barbier. Die Wilhelm-Tell-Parallele ist neu.

Mit nochmaligem Danke Ihr

hochachtungsvollst ergebener
Prof. Dr. Ed. v. Wölfflin.

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[1] den wunderthätigen Magus = Schauspielmusik zu Calderons Drama. Sieben Stücke daraus erschienen als Opus 30 für Klavier zu 4 Händen.