Kondolenzschreiben Hedwigs von Holstein zum Tod von Fanny Rheinberger.


Leipzig, d. 2. Januar 1893.

Hochverehrter Herr!

Tief erschüttert durch die Nachricht von dem unersetzlichen Verlust der geliebten und hochverehrten Freundin möchte ich meinem innigsten Mitgefühl mit Ihrem persönlichen Schmerz Ausdruck geben. Was haben Sie an ihr verloren! Mehr als irgend ein anderer liebender Gatte! Wie war sie Ihre rechte Hand, Ihre Gehilfin im idealen wie im realen Gebiet - wie liebte Sie sie! -

Schwer wird es ihr geworden sein, von Ihnen zu scheiden, wenn sie auch Gott ergeben und wahrhaft fromm war, - und doch - wenn sich dieser grosse, klare Geist umnachtet hätte - das wäre noch viel schrecklicher gewesen, als diese Trennung auf kurze Zeit.

Wie getröstet war ich vorigen Herbst, als ich Sie in M. aufsuchte und mir Ihr Diener sagte, es gehe der gnädigen Frau wieder ganz gut! Sie waren bei Tisch und ich wollte Sie nicht stören. Hätte ich's doch lieber gethan. Die Geliebte soll ich nicht wieder seh'n hienieden! -

Wie viel waren mir ihre herzlichen Briefe. Ich habe sie alle aufgehoben, sie liegen nach dem Datum. Darf ich sie Ihnen einmal schicken? - Wollen Sie nichts über sie schreiben und die schönsten Briefe hinzunehmen? Ihnen wird kein Bedürfnis sein, aber den Freunden wäre es das köstlichste Geschenk.

In der Begräbnissstunde werde ich mit meinen Gedanken bei Ihnen sein. Nehmen Sie allen, allen Dank für das, was ich ihr schulde, an geistiger Erhebung, an Beispiel im Glauben und Wirken.

Wenden Sie sich nicht von mir ab, ich hänge nun doppelt freundschaftlich an Ihnen allen! Gott tröste Sie. Ihre Hedwig v. Holstein.

Leipzig, d. 2. Januar 1893.

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