St. Gallen, 25.6.88.
Hochgeehrter Herr!
Eben erhalte ich von dem Kgl. Musikdirektor B. Kothe in Bresiau folgende Karte:
Ihre Besprechung der Rheinberger'schen Messe[1] hat mir so wohlgefallen, dass ich mich gedrungen fühle, Ihnen meinen wärmsten Dank zu sagen. Mir gefällt sie ebenfalls sehr gut, und ich habe sie auch günstigst beurtheilt." Sie sehen, dass auch im Cäcilienverein noch nicht lauter Puritaner sind. Ich gedenke Ihre prächtige Messe auf 15. August (Maria Himmelfahrt) aufzuführen.
Mein Eduard soll mir zum Beginn des nächsten Schuljahres das Examen im Contrapunkt machen, ich bitte demselben zu sagen, was bei der Aufnahme gefordert wird, oder noch besser mir dasselbe in ein paar Zeilen gefälligst mittheilen zu wollen, (die Sie Eduard mitgeben können, da er in 3 Wochen in die Ferien kömmt) damit die Ferienzeit zur Vorbereitung benützt werden kann.
Haben Sie keine Instrumental-Messen geschrieben? Hier ist noch der grösste Mangel an guten neuen Werken!
Hochachtungsvollst Euer Hochwohlgeboren ergbstr.
Stehle.
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[1] Besprechung der Rheinberger'schen Messe = Messe in G-dur, op. 151, in: "Der Chorwächter" St. Gallen 1888, 13. Jg., 5. 44.