Gedicht von Franziska Rheinberger zur Erinnerung an den 3. September 1885 in Vaduz


Zur Entstehung unserer Ballade Montfort. 

Viel düstre Tage zählt das Leben.
In mancher Zeit verlöscht der Hoffnung Leuchte,
Und Schmerz bringt das Erwachen jeden Morgen.
Dann ist's der Frühling, der mit jungem Grün
Mit Blüthenduft und Amselsang
Des Herzens bange Einsamkeit
Noch schmerzlicher empfinden
Und sehnlich denken lässt an Herbstesstürme,
Die mit dem Jagen welkgewordner Blätter
Mit wildem Rauschen durch den kalten Forst
harmonischer zum eignen Grimme Stimmen.
Nicht so, als wir zur letzten Sommerwende
In deiner Heimath weilten. Weisst du noch?
Es war ein Tag - der schönste wohl des Jahres;
Des Lenzes Hoffnung hatte sich erfüllt.
Kein Wölkchen stand am Himmel - tiefes Blau
Zog über Berg und Halde. 0 Valdulsch,
Der Heimath "süsses Thal!"
Wir sassen auf dem Eichenstamm im Moose,
Zur Linken war das alte Försterhaus,
Genüber zog der grüne Buchenwald,
An dem schon manch Gezweig mit Gelb sich färbte
In steile Höh hinauf zum "wilden Schloss,"
Und liess die Pracht uns ahnen stiller Pfade.
Zur Rechten hob der Falkniss
Sein kühnes Felshaupt in die klaren Lüfte,
Tief unten zog die Flut des jungen Rheins.
An Bäumen hing viel saft'ge Frucht
Und neben grüner Matte stand ein Feld
Von gold'gem Mais, durch dessen schlanke Halme
Der Südwind raschelnd sein Geheimniss hauchte,
Wozu verständnissvoll die Kolben nickten.
Aus all der Lebenspracht der Schöpfung
Von tausendfachem Chore der Cycaden
Durchzirpt, erhoben sich die Quadern
Des alten Römerthurmes riesig stark.
Er hat den runden Festsaal überdauert,
Aus dessen Höhlen jetzt der Himmel schaut.
Zerfallen ist die Burg,
Am Römerthurme zersprangen die Geschosse,
Wildrothe Reben schlingen sich hinauf.
Und dort der Garten, dessen Erkerbrüstung
Vom tiefen Abgrund trennt, wo du, der Knabe
Hinabgeträumt ins Rheinthal, tief im Herzen
Die schlummernden Gesänge später Jahre -
Denkst Du daran? Wie herrlich ist diess Alles!
Die Sage zieht vorüber an der Seele
Und zaubert liebliche Gestalten
Aus ihrem Reich. Ich seh' dich sinnend stehn
Als lauschtest du verborgnen Harmonien.
Und so wie du - ein halb Jahrtausend ist's,
Stand mit der Laute hier der deutsche Sänger
Am Brückenthor und sang von hoher Minne.
Und ist mit ihm der Klang verstummt?
o nein! erwache Spätgeborner,
Greif in die Saiten, finde uns ein Lied
Aus Montfort's Tagen, hol' sie aus dem Grab
Die Ritter, die hier glänzend eingezogen,
Beleb' das Burgfräulein mit frischem Hauch,
Entlocke die Gefangnen ihrer Haft
Und lass uns mit der Eichen altem Rauschen
Der Kunde längst vergangner Tage lauschen,
Dein Lied umranke froh den greisen Thurm
Wie Epheu übergrünend Kampf und Sturm.
Ja, künde, liegen wir vom Grab umfangen
Wie treu das Herz an deinem Heim gehangen.

(Zur Erinnerung an den 3. September 1885 bei Schloss Vaduz.)

München.
Franzisca Rheinberger Hoffnaass.

 

 

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