München, 24. Januar 1881
Puncto Gutenberg [1] habe ich eine Frage an Dich. Ich möchte gerne eine kleine componirbare Ballade für Curt schreiben und würde am liebsten einen Stoff aus seiner Heimath nehmen, da ihm die Romantik der dortigen Gegend doch tief in den Gliedern steckt. Kennst Du etwa eine wenn auch noch so unbestimmte Sage über Gutenberg? Wenn ich nicht irre, gibt es sogar ein Sagenbuch über Liechtenstein [2].... jedoch wer schrieb es, wo erschien es? ist nicht Vonbun der Verfasser?
Deine prachtvolle Vorarlberg-Karte macht uns und anderen viele Freude, zumal auch das Heimathdörfchen Rheinberg angegeben ist. Schade, dass kein Schloss dabei ist!!-
Oft - oft reden wir von Liechtenstein, und immer ist es mir ein Fest, wenn Curt von seiner Jugend- u. Kinderzeit in Feldkirch erzählt. -
Er hat jetzt einen jungen, höchst talentvollen Schüler aus Innsbruck, den das Alles ungemein interessiert und der Vieles daran lernen kann.
Jüngst wurde in der Musikschule ein Quintett von Rheinberger zur Aufführung gebracht. Minister Lutz bewunderte es sehr und sagte zu Curt: in diesem Werke ist ja ein Gedankenreichthum, der für 3 Quintette ausreichen würde. Curt antwortete schlagfertig: Excellenz, ich gehöre nicht zu denen, die noch schreiben, wenn sie keine Gedanken mehr haben.
Vor 8 Tagen hatten wir auch bei uns eine Kammermusik, wobei ein neues Trio [3] von Rheinberger gespielt wurde.
Am 29. Januar kommt in Paris zum erstenmale mit französischem Text unser Toggenburg [4] dran - dessen landschaftlicher Hintergrund das Rheinthal ist, und das ich hauptsächlich in Erinnerung an den schönen Waldweg, der zum Vaduzer Schlosse führt, gedichtet habe. (24.1.1881)
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[1] vgl. S. 119/ Z. 32
[2] "Die Sagen Vorarlbergs" von Franz Josef Vonbun, unter denen sich auch einige Beiträge aus dem benachbarten Fürstentum Liechtenstein befinden, waren 1858 erschienen.
[3]Klaviertrio Nr. 3 in B-dur, op. 121, komponiert Nov./Dez. 1880.
[4]"Toggenburg". Ein Romanzenzyklus für Soli, Chor und Pianofortebegleitung, op. 76