Der Direktor der Musikschule des Musikvereins Insbruck Josef Pembaur bittet seinen ehemaligen Lehrer J. G. Rheinberger um die Ausleihe der Bach'schen Motette


Brief von Musikschuldirektor Josef Pembaur an Josef Rheinberger:

 

Innsbruck, 13.3.1875

Geehrtester Herr Professor!

Meine Geschäftssorgen und Arbeiten lassen mich erst heute zur Erfüllung der angenehmen Pflicht kommen, Ihnen und Ihrer geschätzten Frau Gemahlin für deren freundliche Zuschrift zu danken.

Am 16. habe ich mein 3. Abonnementsconcert und desshalb gerade jetzt viel zu thun. Nach Ostern, 26. April, gehen mehrere Musiker von hier fort. Da es im Theater für sie den Sommer über kein Verdienst gibt, so wird natürlich auch mein Orchester ganz unvollständig. Aus diesem Anlasse und in Anbetracht, dass der hiesige Chor zahlreich und gut, zu allem recht verwendbar ist, kam ich auf die Idee, auch mit dem Chor allein ein Concert zu geben, für welches mir eine Ihrer Compositionen gerade doppelt erwünscht ist.

Doch da hier eine Bach'sche Motette nie gehört wurde und in ein derartiges Programm doch derartig altklassisches aufgenommen werden sollte, so erlaubte ich mir die Bitte an Herrn Professor um allenfalsige Entlehnung eines solchen Stückes aus dem Archiv des Oratorienvereins.

Die Bach-Ausgabe ist derart theuer, dass wir sie nicht kaufen können und ich weiss wirklich nicht, wo sonst derartiges etwa einzeln erschienen ist.

Wenn ich nur in Partitur etwas leihweise bekäme, ich würde schnellstens und sorgfältig kopieren und zurückgeben. Ich nehme mir die Freiheit, von Herrn Professor vielleicht durch meinen Freund Glötzle [1] eine diesbezügliche Antwort auszubitten.

Ich möchte für den Fall eines Vokalconcertes das Programm nach Art der dortigen Vokalkapelle einrichten; freilich dürfte dasselbe erst im Mai stattfinden, da unsre Studien nicht so rasch sich abthun lassen.

Nochmals herzlichen Dank für das übersendete, mit der Bitte, uns die Stimmen so lange zu überlassen, als sich unsre Aufführung etwa verzögern dürfte.

Hochachtungsvoll ergebenst

zeichnet sich

Josef Pembaur.

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[1] Kunstmaler Ludwig Glötzle in München; er war Mitglied des Oratorienvereins.