Rezension in der Augsburger Abendzeitung:
3.4.1875
Das letzte Abonnementskonzert der musikalischen Akademie am Ostersonntag brachte fast ausschliesslich grössere Orchesterwerke und zwar stand an der Spitze des Programmes eine neue Symphonie von Jos. Rheinberger in f-dur mit vier Sätzen: Allegro con fuoco, Adagio; Menuetto pastorale; Finale, geschrieben im Auftrage - nicht etwa eines hiesigen oder sonstigen deutschen Konzert-Vereines, sondern der società orchestrale in Florenz, wo unseres heimischen Meisters Werk durch Hans v. Bülow und G. Buonamici mit dem glücklichsten Erfolge eingebürgert wurde. Mehr als acht Jahre sind verflossen, seit Rheinbergers "Wallenstein"- Symphonie in den Räumen des kgl. Odeons zum ersten Male aufgeführt worden. Der gediegene Künstler ist seit dieser Zeit mit zwei grösseren musikalischen Werken und einer reichhaltigen, bunten Reihe kleiner Kompositionen vor das Publikum getreten und hat sich wohl mit jedem Werke dessen steigende Achtung als ein die Technik vollkommen beherrschender, origineller, feinsinniger und geschmackvoller Meister errungen. Ein neues symphonisches Werk des Komponisten durfte also im Voraus eines sympathischen Interesses sicher sein und die musikalische Akademie hat demselben einen wohlthuenden Ausdruck gegeben, indem Sie das Pult des Dirigenten - der Komponist leitete die Aufführung seines Werkes persönlich - mit einem Lorbeerkranze schmückte. Rheinberger hat diesmal darauf verzichtet, seinem Werke durch Benennung des Ganzen und Ueberschriften zu den einzelnen Theilen einen bestimmten, die Vorstellung des Hörers über das rein Musikalische hinausweisenden Charakter zu geben. Gleichwohl legten manche Stellen den Verdacht nahe, als seien dem Komponisten auch hier wieder konkrete Gestalten während des musikalischen Schaffens vorgeschwebt, welche derselbe diesmal nur dem Hörer zu bezeichnen unterliess. Wäre, wenn dem so ist, nicht vielleicht die ausdrückliche Benennung doch vorzuziehen gewesen? Namentlich im letzten Satze entbehrte man einen derartigen Anhaltspunkt; ohne einen solchen scheint hier, wenigstens beim erstmaligen Hören, der streng einheitliche Zusammenhalt in Form und Gedanken einer Reihe von musikalischen Einfällen geopfert zu sein, die, obwohl an sich geistreich und mit glänzender Geschicklichkeit verbunden, den Hörer doch nicht recht zur Ruhe und das Werk trotz der grossen aufgewandten Mittel nicht zur höchsten Steigerung kommen lassen. Der erste Satz der Symphonie ist in der That ein bedeutender Wurf: das lebensvoll sprühende, in scharf markirtem Rhythmus sich bewegende, zuweilen fast an eine Tanzweise edelsten Styles aufklingende Hauptthema und das diesem festlichen Gepränge gegenübergestellte, um die Hälfte langsamer auftretende, ernste und mahnende Gegenthema sind glücklich erfunden und mit vollendeter Kunst durchgeführt und verarbeitet. Mächtig ergreifend wirkt auch das breite, reichgestaltete Adagio. Thema und Rhytmus des dritten Satzes sind etwa die einer frei behandelten Mazurka und der pastorale Charakter tritt dem Hörer zunächst im Trio entgegen. Glänzend ist an dem ganzen Werke, welches einer vorwiegend heiteren Stimmung Ausdruck gibt, die Tonwirkung; gerade hier zeigt sich so manchen Werken moderner Komponisten gegenüber der feine, künstlerische Sinn Rheinbergers: er kennt alle verfügbaren Mittel, aber er weiss damit Mass zu halten. Frei von Schwulst und Ueberladung wirkt er aber ebensosehr mit seiner Orchester-Behandlung als mit einer einfachen, reichen und immer wohllautenden Harmonie nicht selten wahrhaft grossartig. Das Publikum hat denn auch die vielfachen Vorzüge des Werkes bereitwillig anerkannt, dem Komponisten nach jedem Satze reichlichen Beifall gespendet und denselben am Schlusse verdientermassen zweimal gerufen. Das Orchester, dem ob seiner vortrefflichen Ausführung der keineswegs leichten Aufgabe gewiss ein guter Antheil an dem schönen Erfolge gebührt, verdiente in der That bei dieser und den übrigen Nummern alle Anerkennung.
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