Brief von Julius Stern an Jos. Rheinberger:
2ter Ostertag, Hohenwiese im Riesengebirge, Schlesien.
Hochgeehrter Herr!
Seit Donnerstag hier im Gebirge, hat mich die stille Osterzeit mit Ihrem grossen, ernsten Werke ordentlich bekannt gemacht. Ich kann Ihnen nicht genugsam sagen, wie tief mich Ihre Composition berührt hat und wieviel Freude mir dadurch für die Ostertage in dem sti1- len Gebirgsdorfe bereitet wurde. Wie gern würde ich das Requiem im nächsten Winter bringen! Und doch ist wenig Aussicht dazu. Mein Gesangverein hat ausser 2 und 3 maligen Aufführungen des Requiem's von Jomelli, Mozart und Cherubini, 4 mal, sage viermal, das von Kiel, einem Berliner Componisten, gebracht. So sehr auch die Werke gefallen, hat doch unser Vorstand beschlossen, und zwar bei Einsendung des Lachner'schen, vorerst kein Requiem singen zu lassen. Dazu kömmt für diesen Winter noch, dass wir unser 25-jähriges Jubeljahr feiern und die Werke für die nächste Saison schon bestimmt sind.
Es ist mir förmlich schmerzlich, ein so gehaltvolles Werk, wie das Ihrige, in den Kasten zu schliessen und den Musikfreunden vorzuenthalten. Aber der übernächste Winter soll nicht vergehen, ohne dass wir mit unsern schwachen Kräften Ihren Ruhm singen. Ich denke, Sie kommen dann zu uns und dirigiren selbst. Der Chor ist nicht schlecht und dürfte Ihnen Freude machen. Mit dem herzlichsten Dank und in wahrer Verehrung Ihr ergebenster Julius Stern, Prof. u. Mus.Dir.
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