Hans von Bülow schreibt an Josef Rheinberger über musikalische und private Angelegenheiten


Hans von Bülow schreibt an Josef Rheinberger:


Hochverehrter Herr Professor!

 

Unser gemeinschaftlicher Schüler Giuseppe Buonamici, der in der That gegen meine Ansicht die Kgl. Musikschule in München nach meinem Rücktritt von deren Leitung vorigen Herbst verlassen hatte, um mir in seine Vaterstadt nachzufolgen, hat während des verflossenen Jahres viel Unglück gehabt. Alle Kurversuche wider die hartnäckig wiederkehrende Lähmung seines rechten Armes - die Wurzel des Übels ist eine Art Neuralgie, wie dieselbe zuweilen auch den sog. Schreibkrampf erzeugt - sind bisher fruchtlos geblieben; seine Klavierspielstudien haben so häufige Unterbrechungen erlitten, dass ich mir und ihm nicht verhehlen kann, er habe das vergangene Jahr für seine künstlerische Ausbildung vollständig verloren. Ausserdem hat sich der Aufenthalt in Florenz, wo er von so unzähligen ebenso liebenswürdigen als ihm wohlwollend zugeneigten Personen umgeben ist, als höchst ungünstig für sein Weiterstreben und Arbeiten erwiesen, dass er nun selbst meine Erkenntnis theilt, wie nur eine schleunige Rückkehr in die Kgl. Musikschule in München, d.h. die Wiederanknüpfung seiner Studien in der Compositionslehre und im Orgelspiel bei seinem von uns gleichmässig verehrten Meister - bei Ihnen, Herr Professor, (hierzu käme noch der Chorgesangsunterricht bei Herrn Kapellmeister Wüllner) die Beschädigung seiner Ausbildung ausgleichen dürfte. Er ist, wie an Jahren jung, auch geistig so rege, frisch und empfänglich geblieben, dass ich nicht an dem Erfolg zweifle, den ich an diese Rückkehr unter Ihrer Flügel Schatten knüpfe.

Da ich mich nun aber der - vielleicht grundlosen - Befürchtung nicht zu erwehren vermag, es möchten dem Wiedereintritte in die Anstalt von gewisser Seite Hindernisse oder Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden, so gestatte ich mir mit diesen Zeilen, Sie, verehrter Herr, zu ersuchen, allen Ihren Einfluss geltend machen zu wollen, um Buonamici's Plan zu begünstigen. Vermutlich wird er sich in Bälde dieserhalb direkt an Sie wenden.

Mit inniger Betrübnis habe ich durch die Herren Scholz und Hieber von den körperlichen Leiden gehört, von denen Sie im vergangenen Winter heimgesucht worden sind; mit gleicher Befriedigung von Ihrer Reconvalescenz, der ich somit nur feste Dauerbarkeit zu wünschen brauche. Ich selbst bin leider sogleich nach meiner unfreiwilligen Hierherkunft von rheumatischen Uebeln wieder befallen worden, die mich seit Tagen an das Zimmer ketten, dass sich meine Ueberzeugung, das deutsche Klima tauge meiner wankenden Gesundheit weder moralisch noch Physisch mehr, ganz überflussigerweise aufs Neue bestätigt hat.

Mit der Bitte, Ihrer verehrten Frau Gemahlin meine respektvollsten Grüsse zu melden, habe ich die Ehre, mich zu unterzeichnen als Ihren in grösster Hochachtung und Bewunderung ganz ergebensten


Hans v. Bülow.

Berlin, 27. Juni 70.

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