Privatrezension von Max Greis über "Das Rheingold" von R. Wagner


Privatrezension von Max Greis über "Das Rheingold" von Richard Wagner:


DAS RHEINGOLD

Vorspiel zu der Trilogie "DER RING DES NIBELUNGEN" von Richard Wagner.

Der Aufführung Wagnerscher Werke gehen in der Regel Ereignisse voraus, die zu den stürmischen der Bühnenwelt gehören. So auch diesmal. Es handelte sich gerade um Sein oder Nichtsein entweder von Wagner oder Perfall den nunmehr definitiven Intendanten. Doch siegte letzterer.

Ich will nicht erwähnen der Arroganz des noch grünen Kapellmeisters Richter, der kurz vor Anberaumung der Oper am 29. August dieselbe nicht dirigiren zu wollen erklärte und daraufhin entlassen wurde.

Ich will unerwähnt lassen die perfide Gemeinheit des Sängers Betz, der für Wagnersche Opern bereits viele tausende u. in speci für Rheingold 9000 fl von der hiesigen Theaterkasse erhalten sollte u. ebenfalls kurz vor der oben erwähnten Anberaumung der Oper München unmotiviert verliess.

Die ganze Wagnersche Clique wollte die Aufführung des Werkes angeblich wegen unwürdiger Inscenierung hintertreiben, doch gelang der Coup nicht, selbst Richard Wagner, der persönlich hier war u. intervenieren wollte, konnte von seinem königlichen Conner nicht einmal eine Audienz erlangen.

Nachdem derselbe u. Richter arrogante schwülstige Erklärungen in den Zeitungen gegen die Intendanz veröffentlicht hatten, legte sich allmählich der Sturm u. man ging nun, ohne die Intrigen dieser undankbaren unerwünschten Fremdlinge zu beachten, mit unseren trefflichen einheimischen Kräften, die am Ende immer wieder herhalten müssen, ans Werk.

In unglaublich kurzer Zeit war eine veränderte Besetzung der Rollen vorgenommen, Wüllner hatte die Direktion übernommen, u. die erste Aufführung fand am 22. September statt. Der erstmaligen Wiederholung am 24. wohnte ich bei u. habe darüber folgendes zu berichten:

Als Gegner Wagners u. seiner Richtung einerseits, durch ungünstige Gerüchte andererseits, war ich gegen das Werk so ziemlich voreingenommen.

Doch hatte das Aparte u. Curiose diesen neuen dem Gehirn des Herrn Wagner entsprungene Machwerk eben wegen seiner Monstrosität etwas Anziehendes.

Scenen in der Luft, im Olymp, in der Unterwelt, auf dem Meer usw. sind für das Theater nichts Neues. Aber Scenen in der Tiefe eines Flusses, das war denn doch noch nicht da.

Seitdem ich diese Scenen gesehen, glaube ich dass man alles kann. Was da die Wagnerianer von unwürdiger Inscenierung sprachen, ist nur ein Ausfluss ihrer impertinenten Arroganz. Ich möchte wissen, ob diese Herren in ihrem Gehirn etwas anderes zu Stande bringen können, als der Maschinist in dieser Beziehung geleistet.

Doch weiter im Ganzen.

Die dem Vorspiel zu Grunde liegende Handlung, der Götterwelt entnommen, ist eine den modernen Anschauungen total fremde u. bietet desshalb keine besondere Spannung.

Der vom Dichterkomponisten hiezu geschriebene Text wäre an sich nicht zu verwerfen, wenn er einer anderen als der Wagnerschen Feder entsprungen wäre.

Alles strotzt von Alliterationen, schwülstigen, unverständlichen Ausdrücken, die bald an die höchste Stufe der Verworrenheit, d.i. Unsinn, grenzen.

Nicht mit Unrecht hat ein hier erschienenes Blatt Wagner "den unübertrefflichen Dichter sinnloser Operntexte" benannt. Die Gestalten der Götter, Riesen u. Nibelungen sind erbärmliche Kerle oder wie ich gestern beim Herausgehen aus dem Theater von H. Dr. L... den Ausspruch hörte: "es ist einer schlechter als der andere".

Hiemit ist Text u. Handlung gekennzeichnet.

Und nun zur Musik. Hier wird mein Urtheil etwas günstiger. Wagnersche Musik bleibt Wagnersche Musik. Die endlose Verknüpfung der Töne ohne jede befriedigende Lösung, das immerwährende Gesäusel, das bald zu und abnimmt, kennzeichnet auch dieses, nicht einmal mit einer Pause beglücktes Werk des Meisters. Doch setze ich als Laie den musikalischen Werth desselben nicht höher als den Tristan's u. der Meistersinger.

Es ist nicht zu verkennen, dass demselben eine Fülle schön musikalischer Ideen zu Grunde liegen, die aber leider nicht zur Ausführung gelangen. Die Instrumentation ist für kurze Momente erhaben u. effektvoll. Doch lässt die Richtung des Meisters so etwas nicht zur Geltung kommen.

Disharmonien, wie sie in den erwähnten Opern vorkommen, fehlen glücklicher Weise diesem Werke gänzlich. Im Gegentheile ist es als schön harmonisches Ganzes zu bezeichnen, das nur einer melodischeren Ausführung bedürfte, um auch dem Gegner Wagners zu gefallen.

Was die Inscenierung anlangt, so habe ich bereits oben schon etwas erwähnt.

Was man leisten konnte, ist geleistet worden. Ich möchte den Maschinisten kennen, der die Ideen des Herrn Wagner, wie er es will, ausführen kann.

Ausser dem Rheingrunde sind noch zu bemerken die unterirdischen Klüfte Nibelheims mit den verschiedenen Zaubereien.

Der Regenbogen, auf dem die Götter zum Schlusse zur Walhalla wallen, macht sich nicht gut, man kann es aber, glaube ich, nicht besser machen.

Ganz kurios ist der Abschluss jeder Scene durch einen die ganze Bühne verdeckenden Wasserdampf, der aber auffallender Weise auf seinen Raum begrenzt bleibt.

Die Darsteller, unter ihnen insbesondere Vogl als Loge verdienen den vollsten Beifall. Das Orchester unter Wüllners trefflicher Direktion, an 100 Mann stark, leistete Meisterhaftes.

Der Erfolg war ziemlich kühl, mit Ausnahme dreier applaudirter Stücke, war auch der Hervorruf am Schlusse nicht bedeutend. Der Applaus scheint überhaupt nur den Darstellern gegolten zu haben.

Warum nun der Enthusiasmus bei Tristan u. den Meistersingern u. warum hier diese Kühle?

Ganz einfach, weil damals Wagner auf der Höhe seines Glücks stand, jetzt aber nach den neuesten Vorkommnissen sein Name zu bleichen beginnt.

Doch wer ist sicher, ob dieser Name nicht abermals seine Leuchtkraft wieder erhält u. ob wir nicht auch die Fortsetzung des Rheingoldes im Ring des Nibelungen zu sehen bekommen.

Ich für meinen Theil verzichte darauf.

den 25. September 1869

M. Greis.

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