Die "Münchner Propyläen" (I.Jg.,Nr.33 vom 13.8.1869, S.787) schreiben über die Prüfungskonzerte der Kgl. Musikschule:
Wie im vorigen Jahre, veranstaltete die K. Musikschule auch heuer sog. Prüfungsconcerte, und zwar nicht weniger als fünf, die in den Tagen vom 31. Juli bis 4. August stattfanden.
Der Eindruck, den die hiebei zu Tage tretenden Leistungen im Allgemeinen wie im Besonderen hervorbrachten, war ein äusserst günstiger und bewies von Neuem, dass wir es hier im wahrsten Sinne des Wortes mit einer Kunstanstalt zu thun haben, mit einem Institut, dessen Organisation und Leitung eine musterhafte ist, und in dessen Schoss sowohl von Seite der Lehrer wie der Schüler künstlerischer Ernst und rastloser Fleiss walten muss. Musikalische Handwerker und einseitiges Virtuosenthum können in dieser Anstalt schon desshalb nicht gedeihen, weil einerseits nur solche Schüler aufgenommen werden, bei denen unverkennbares Talent vorhanden ist, und andererseits jeder derselben gezwungen ist, neben seinem Specialfache auch die obligatorischen Lehrgegenstäde zu cultiviren. Diese letzeren sind:
Harmonielehre Lehrer: die HH. Cornelius und v. Sahr
Elementares Clavierspiel Hr. Scholtz
und Frau Heintz - Hallwachs
Chorgesang Hr. Hofkapellmeister Wüllner
Rhetorik Hr. Cornelius
Gymnastik Hr. Hoftänzer Flerx
Zu den Specialfächern zählen:
Contrapunct und Orgel Hr. Professor Rheinberger
Liturgie Hr. Dr.Baraga
Höheres Clavierspiel die HH. v.Bülow u. Bärmann jun.
Sologesang die HH. Dr. Härtinger, Jul. Hey
und Frau v. Inffeld - Richter
Violinspiel die HH. Concertmeister Abel
und Hofmusiker Brückner
Violincell Hr. Hofmusiker Werner
Clarinette, Fagott, Flöte, Oboe die HH. Hofmusiker Bärmann
sen., Christ. Mayer, Freytag und Vitzthum
Neu hinzugekommen sind in diesem Jahre die Lehrer der Liturgie, Flöte und Oboe. Diese Vermehrung der Specialfächer ist nur gut zu heissen /…/
Die Leistungen der Contrapunctclasse, soweit sie sich in den Concerten zeigen konnten, verdienen volle Achtung. An Compositionen von Schülern kamen zur Aufführung: Fuge für Streichinstrumente von Joseph Stich, mit gerade nicht neuen, jedoch sehr geschickt und theilweise geistvoll verarbeiteten Gedanken; Chor, Arioso und Schlussfuge aus dem 30. Psalm für Chor, Solo und Orgel, componirt von Otto Hieber (verräth einen sehr talentvollen Musiker);"Das Thal des Espingo", Ballade von Paul Heyse für Chor und Orchester, componirt von Ernst Sachs, eine Arbeit von reichen und tiefen Gedanken und farbenreicher Instrumentation, die den schon etwas gereifteren Musiker mit geläutertem Geschmack erkennen lässt, von Ottmar Rüber endlich wurde der erste Satz aus einer Symphonie in C-moll für Orchester zu Gehör gebracht, die sich durch originelle Motive, grossen Zug und geschmackvolle Orchestrirung vortheilhaft auszeichnet.
/Es folgt die eingehende Würdigung der Leistungen in der Instrumentalabteilung/.
______________