E. W. Fritzsch an Fanny Rheinberger:
Leipzig, 20./7.69.
Hochgeehrteste Frau!
Erfreut durch Ihre mir gestern zugegangene Gratulation zur Geburt unserer kleinsten Tochter, drängt es mich, Ihnen direct meinen resp. unsern herzlichsten Dank für dieselbe abzustatten sowie ich Sie höflich ersuche, Ihrem Herrn Gemahl für die prächtige, aus Anlass dieses Familienereignisses beigelegte Orgel-Sonate, welche sofort in Stich gegeben werden soll, meine grosse Freude über diese Aufmerksamkeit zu übermitteln. Meine gute Frau hat mit gleichem Vergnügen, wie ich, Ihre liebenswürdigen Zeilen gelesen und lässt sich Ihnen bestens empfehlen.
Es ist dieselbe sammt der kleinen Sprösslingin übrigens den Umständen nach ganz munter und sehnt sich danach, wieder aufstehen zu dürfen, ein Wunsch, der ihr in Anbetracht der schönen Hitze der jetzigen Tage wol nicht zu verargen ist. Leider habe ich durch die verschobene zweite Münchener Aufführung der "7 Raben" von einer Reise nach dort absehen müssen, doch denke ich: aufgeschoben ist nicht aufgehoben und vertröste mich auf spätere Zeit. Vor der Hand freuen wir uns, Ihren Herrn Gemahl nun nächsten Herbst in Leipzig begrüssen zu dürfen, wobei die Hoffnung, Sie, geehrteste Frau! als Reisegefährtin demselben folgen zu sehen, nicht ausgeschlossen ist.
Sie gehen also wieder in Ihr bevorzugtes Bad Kreuth? Hätte bei uns der Storch in diesem Sommer nicht Einzug gehalten, so wäre wol auch ich mit meiner Familie auf einige Wochen in die Sommerfrische gegangen, die ganz besonders mir recht wol thun sollte.
Um nun auch diesen Brief nicht ganz ohne geschäftliche Notiz zu lassen, will ich in Bezug auf op. 27 [1] v. J. Rh/einberger/ nur noch bemerken, dass ich mich, kommt keine gelegentliche Nachricht vom Componisten, bei der Wahl des Formats für dieses Werk (quer oder hoch) an mein eigenes Gutdünken halten werde. Eine kleine Reclame für die Werke Ihres verehrten Gatten werden Sie nächstens bei Herausgabe der aus beigelegtem Verzeichnis zu ersehenden Biographien, in welche Sammlung später auch der Name J/osef/ Rh/einberger/ aufgenommen werden soll, ersehen. Doch mich drängt die Zeit, für heute abzubrechen, da ich unsern Fr. Hermann auf 3 Wochen in der Oper zu vertreten und in Folge dessen nachher Gounod's Faust zu spielen habe. Interessanter war kürzlich Schumann's Manfred- Musik, das Gegentheil davon Mignon von Thomas vergangenen Sonnabend und Sonntag. Sie sehen, dass man auch als Musikalienhändler nicht ganz den Musiker einrosten lässt.
Mit herzlichen Grüssen an Sie und an Herrn Professor
Ihr ergebener
E.W. Fritzsch.
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[1] Orgelsonate Nr. 1, c-moll.