Vincenz Lachner würde gerne die Oper "Die sieben Raben" sehen und diese in Mannheim aufführen lassen


Vincenz Lachner an Josef Rheinberger:

 
Sehr geehrter Herr Professor Rheinberger!

Dem Arzte der Frl. Stehle habe ich dieser Tage die Behandlung gewünscht, die dem Leibmedicus des chinesischen Himmelssohnes zu Theil wird, wenn er seine Majestät mit seiner Kunst nicht auf die Strümpfe zu bringen vermag. Kein Telegramm, weder Montag noch gestern - das ist untröstlich! Ich hätte gerade jetzt so schön Zeit gehabt, die Oper zu hören und mich mit Ihnen eingehend über Alles auf die hier projektirte Aufführung zu besprechen.

/…/ So wandere denn Du allein wieder hin zu deinem reichbegabten Vater, liebes Buch, das mir so viel Freude gemacht und für die Zukunft noch grössere Erwartungen erweckt hat. Es sind hier die rechten zwei Köpfe zusammengekommen; der Dichter bereitet dem Komponisten einen musikalischen Boden und so braucht dieser seiner Kunst nicht zuzumuthen, sich selbst aufzugeben und nur als dienende Magd nebenher zu laufen. Aber dazu gehören musikalische Gedanken und musikalisches Gestaltungsvermögen - nicht Jeder hat sie!

Meinen wärmsten Dank für das mir geschenkte Vertrauen sammt der Bitte, den praktischen Punkt meines letzten Briefes beantworten zu wollen. Ich möchte die Oper gerne während der Ferien ausschreiben lassen, um gleich nachher darüber herzufallen, und würde mich glücklich schätzen nach München der erste zu sein.

In ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ergebenster

V. Lachner

Mannheim, 9. Juni 1869

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