Hedwig von Holstein lädt Franziska von Hoffnaaβ ein, sie zu besuchen und berichtet über die Freundschaft ihres Mannes zu J. G. Rheinberger.


Brief Hedwig von Holstein an Franziska von Hoffnaaβ
o. D. [1867], o. O. [Tegernsee]


Hochverehrte Frau!
Nun ist meine Geduld zu Ende! - Alle Tage habe ich an das Lied von Lingg erinnert, was Ihnen mein Mann schicken wollte, und alle Tage wird seine Entrüstung - ich weiss nicht, oh gegen mich oder gegen ihn selbst - stärker. Nun warte ich nicht länger auf das dumme Lied, sondern schreibe ohne dies. Liegt es mir ja doch gar zu sehr am Herzen, Ihnen Beiden noch einmal so recht aus voller Seele zu danken für die Aufnahme, die Sie uns bereiteten. Wir denken mit wahrer Freude an Sie zurück, nicht nur an das bei Ihnen und durch Sie Genossene, sondern dass einmal wieder ein Paar Menschen, wie Sie Beide, zusammen gekommen sind und im Reich des Schönen frei schalten und walten können und in Liebe sich ergänzen, nach manchem harten Kampf. Kein Sieg ohne Kampf!
Wir haben recht viel von Ihnen erzählt. Herr Rheinberger hatte sich hier rasch das Interesse der Menschen erworben, es war bekannt geworden, dass er sich bald nach seinem Hiersein verheirathet hatte, und fabelhafte Gerüchte müssen von seiner Auserwählten im Umlauf gewesen sein, die wir kraft unsrer eigenen Anschauung zerstörten. Ich habe Sie, liebe verehrte Frau, wohl hundert Mal abgemalt und meinen Pinsel in die wärmsten Farben getaucht. Nun müssen Sie bald selbst kommen, denn auf das Glauben folgt das Schauen. Ich hoffe wirklich ernsthaft darauf, dass Sie den Rückweg von Paris über Coln und Leipzig nehmen. Richten Sie es nur so ein, dass Sie an einem Donnerstage hier sind, wegen des Gewandhausconcertes, und lassen es uns nur einen Tag vorher wissen, damit Sie das Fremdenzimmer geheizt finden, was sonst in unsrer Hütte immer frei zu Disposition steht. Wer weiss, ob Sie dieser Brief noch trifft, vielleicht welschen Sie schon seit geraumer Zeit.
Heute Abend spielt mein Mann mit Frl. Hauptmann in unserem Mittwoch-Kränzchen (kein unbedingt musikalischer, nur ein schöngeistiger Kreis) Ihren Wallenstein. Die Beiden haben sogar eine Probe dazu gehabt und wollen behaupten, die Aufführung werde vortrefflich werden.

(So war es. Ganz ausnahmsweise wurde auf das vierhändige Spiel gehört, was sonst gewöhnlich nur zum eignen Genusse der Spielenden dient. Der alte Hauptmann sass eine Etage tiefer als wir mit der Partitur in der Hand und hörte jeden Ton. Als es vorbei war, drängten sich der Maier und der Archäologe an's Clavier und fragten und liessen sich alle hervorragenden Stellen wiederholen. Haben Ihnen beiden nicht die Ohren geklungen?)
Ferner verrathe ich Ihnen nach meinem Princip - Sie wissen, weiches ich meine - dass mein Franz schon zwei Mal von Ihnen geträumt hat und die Stirn hatte, es mir zu erzählen. Vielleicht meint er, dass er Ihnen damit genug Freundschaft erwiesen und deshalb das Lied nicht nöthig habe niederzuschreiben. Da kommt er eben, sieht mir über die Schulter und schwört bei allen Heiligen, dass er's bis Sonnabend gethan haben würde. Nämlich! Er trägt mir auf, bei Ihrem Herrn Gemahl den Besuch eines jungen Musikers, Namens
Clauβen, anzukündigen, der das Meyerbeerstipendium für so und so viei preisgekrönte Ouverturen und Cantaten und 8-stimmige Fugen bekommen hat, und kraft dieses jetzt nach Rom und Paris reist. Wir kennen ihn auch erst seit kurzem, da er in Berlin lebte (Schule [sic] von Bülow war) und durch Empfehiung von dort aus bei uns erschien. Er gefäilt uns sehr, und wird Ihnen gewiss auch nicht unangenehm sein, sodass Sie ihm Ihre sonnige Gegenwart schon gönnen können. Wir eröffnen also den Reigen mit Empfehlungen, schicken aber diesen Brief vorher, weil es für beide Theile angenehmer ist.
'Nun genug, fort im Sprung, trefft uns in der Dämmerung' - nämlich beim Wallenstein im Kränzchen.
Ihre warme Verehrerin
Hedwig von Holstein.

Ihr Frl. Ziegler vom Actientheater gefällt hier als Brunhilde in den Hebbelschen Nibelungen ganz über die Maassen. Sie ist wirklich vortrefflich in dieser Parthie. Man sagt, dass nächstens die Mallinger im Gewandhaus singen werde. Mein Mann wurde gefragt, ob es der Mühe werth sei, sie kommen zu lassen. Sie können denken, wie der in die Lobposaunen stiess!

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