Brief J.G. Rheinberger an seinen Bruder David
8. September 1867, München
Mein lieber Bruder!
Seit acht Tagen sind wir von Kreuth zurückgekehrt und fast von Tag zu Tag verschob ich es an Dich zu schreiben - nicht aus bösem Willen, sondern weil ich wirklich viel zu schreiben habe - und da ich fort und fort irgend ein Werk unter der Presse habe, so ergeben die Korrekturen und das damit verbundene hin- und herschreiben viel zu thun. -
Der Aufenthalt in Kreuth war im Ganzen recht angenehm und meiner Gesundheit zuträglich - den Monat September hindurch werde ich noch beim Theater fungiren und im October meinen Abschied nehmen da dann meine Wirksamkeit an der neuen Musikschule beginnen wird. Vor der Hand schloss ich den Kontrakt auf ein Jahr und beziehe 1200 fl. Unabhängig von der Musikschule wurde mir durch ein vom König unterzeichnetes Dekret der Titel eines kgl. Professors tax- und stempelfrei verliehen.
Im October gehen wir wahrscheinlich zur Aufführung meiner Wallenstein Sinfonie nach Paris - da kann man Glück brauchen!
Dieselbe ist jetzt gedruckt und mit einer Widmung [1] an unsern Fürsten versehen; das letztere that ich als ‚Liechtensteiner' und damit man nicht glaubt, dass ich vom Fürsten eine 'Belohnung' dafür wolle, so werde ich sie ihm auch nicht zusenden. Ist's so recht?
An Maly meinen herzlichen Gruss. - Ihr habt, wie sie an meine Frau schrieb, eine tüchtige Fusstour nach Malbun [2] gemacht, leidet also Beide gewiss nicht an steifen Beinen.
Briem von Feldkirch und Pf. Gmelch von Balzers sind gegenwärtig hier. Der Brief des Hwürdigen Hofkaplan Fetz (den wir herzlichst grüssen) hat meine Frau sehr gefreut.
An Peter mit Familie, Anton und die lieben Eltern die herzlichsten Grüsse
und hiermit, mein lieber David! Gott befohlen! Dein Bruder
Jos. Rheinberger.
München 8/9 67.
Hat Herminchen ihr Pathengeschenk erhalten?
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[1] Widmung = Die Widmung der Wallenstein-Sinfonie op. 10 lautet: "Sr. Durchlaucht dem regierenden Fürsten JOHANN von und zu Liechtenstein ehrerbietig gewidmet vom Componisten". Beim Widmungsexemplar wurde beim Wort "ehrerbietig" (durch Fanny?) mit Bleistift ein -st angehängt.
[2] Malbun = Hochtal in den liechtensteinischen Alpen, heute bekanntes Ausflugsziel und Skigebiet
(1602 m ü.M.).