Fanny schreibt ihrem Schwager über die Arbeit Rheinbergers, die Geschichte über die Prinzenkinder und ihre eigenen Kunstwerke.


Fanny Rheinberger schreibt an ihren Schwager in Vaduz
5. Dez. 1868, München

Lieber David!

Da unser theurer Kurt gegenwärtig nur Componist und höchstens ein Achtel Mensch ist, so übernehme ich es, Deinen heute angekommenen Brief zu beantworten und vor Allem unser Bedauern über Lampert's trauriges Ende auszusprechen. Grüsse die arme Cenza [1] auf dem Schlosse vielmals von uns und sage ihr, dass ich auch herzlich für den Verstorbenen beten will. Auch Kurt lässt ihr von Herzen sein Beileid sagen. Bitte, richte es ihr bald aus! -

Maly's freudigen Brief habe ich mit grossem Vergnügen gelesen und bin froh, dass ihr das Hütchen gefiel. -

Kurt schreibt jetzt die Musik zu einem Zauberstücke von Raimund "Die unheilbringende Krone", welches im Jänner aufgeführt werden soll. Täglich componirt er neben seinen andern Geschäften 16 - 20 Partiturseiten und schreibt sie auch aus. Ein Theil davon wird bereits im Theater abgeschrieben, sowie auch die Rollen aus seiner Oper, welche Februar - März daran soll. - Heute abend spielt Bülow in Nürnberg Kurt's Toccata. -

Ein höchst komisches Beispiel prinzlicher Noblesse - eigentlich Schoflesse haben wir unlängst erlebt. Der ehemalige Cooperator an der Ludwigskirche und jetzige Erzieher der kleinen Prinzen Adalbert (deren Mutter eine Spanierin) Namens K. Schmoll, von Maly gekannt, war vor einiger Zeit bei Kurt um ihm zu sagen, der eine Prinz hätte musikalisches Talent und ich rieth Kurt zu, den Unterricht zu übernehmen, da es eine Freude wäre, wenn man aus so einem kleinen Prinzenkerlchen etwas Ordentliches bilden könnte, da es ja selten genug vorkommt, dass Prinzen für Kunst Sinn haben. Da auch der andere Prinz mitlernen sollte, stellte Kurt die Bedingung von 2 Gulden p/ro/ Stunde. - Beschämt schrieb H/err/ Schmoll nach ein paar Tagen, Seine königliche Hoheit fände den Preis zu hoch in Beziehung auf seine Kinder! Natürlich unterbleibt jetzt die Stunde. Wie gefällt Euch diese Geschichte?

Ich habe nun das Porträt des Pabstes [2] lebensgross in Arbeit, nachdem ich einen Franziskaner für eine Kinderbewahranstalt zeichnete, sowie eine grosse Madonna in unser Speisezimmer. Von Peter kamen ziemlich heitere Briefe. Seine Beschreibung der vornehmen alten Damen war sehr humoristisch. Wie schön muss jetzt bei Euch die Winterlandschaft sein. Habt Ihr nicht jetzt Südwind, da auch bei uns aller Schnee schmilzt?

Grüsse die liebe Familie tausendmal und hab herzlichen Dank für Deine Berichte, obgleich sie viel Trauriges enthielten.

Es denkt viel zu Euch,

Eure Schwester Fanny

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[1] Schlosswiritn Crescentia Lampert in Vaduz.
[2] Pius IX. (1792-1878), Papst von 1846-1878.