J.G. Rheinberger schreibt, dass er nicht ungern nach Hause komme, "obwohl es in Vaduz höchst langweilig ist". Nur der Eltern und Geschwister wegen komme er gern. Er habe kein Geld, hoffe aber doch ein paar Ausflüge in Liechtenstein machen zu können.

Brief an Bruder David
27. Juni 1860, München

Lieber Bruder!

Ich habe Dir eigentlich nur zu melden, dass ich Deinen, sowie Peters Brief empfangen. Der Regenschirm für Hr. Adametz wird schon längst in Sevelen sein; er kostete 8 1/2 fl. Ich hoffe, dass er zu seiner Zufriedenheit ist. Dem Peter, dem ich für seine Sendung sehr dankbar bin, sage, dass ich seine Obligat. mitbringen werde.

Mali freut sich sehr nach Hause; auch ich gehe nicht ungern von hier, obschon es in Vaduz höchst langweilig ist. Nur der Eltern und Geschwister wegen, (absonderlich Ew. Liebden willen) gehe ich gern gen Liechtenstein.

Hier geht Alles im alten Stiefel fort; nur das Wetter ändert sich immerfort, wie die Laune eines Churhessenselbstherrschers. Letzthin hat es stark gehagelt, auch mir 3 Fenster eingeschlagen.

Jetzt wird die direkte Bahn Wien - München bald eröffnet werden; man verspricht sich viel Vortheil für die Stadt, weil man in 13 Stunden von hier nach Wien kommt. Die haute vollé ist schon auf's Land, auch unser Director Hauser nach Teplitz, nur ich muss im Conservatorium noch täglich von 2 bis 1/2 5 Uhr schwitzen; doch habe ich Vormittags jetzt eher Zeit für mich.

Heuer hätte ich gerne eine kleine Tour in die Schweiz gemacht, allein seine Excellenz, mein Finanzminister, will nichts davon wissen; doch hoffe ich in Deiner Gesellschaft einige grössere Ausflüge, z. B. aufs Schloss oder auf den Sah...derböhel [1] zu machen. Halte dein Reiseportefeuille bereit!

Nun weiss ich nichts mehr, hätte auch nicht Zeit zu schreiben mehr, denn es ist 1/2 2 Uhr; der Brief soll noch auf die Post vor ich ins ‚Bureau' gehe.

Lebewohl, alter Schwede!
und grüsse Alle von
Deinem Bruder G. J. Rheinberger.

München, 27.6.60.