Zum Osterfest schreibt Josef G. Rheinberger seinen Eltern, dass er auf die Trompeterstellen in der liechtensteinischen Armee wegen fehlender musikalischer Kenntnisse verzichte.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern
Karfreitag [2. April] 1858, München


Theuerste Eltern!

Da ich heute, als am Charfreitage, nicht viel zu thun habe, so benütze ich diese Zeit, um dasjenige, was ich zu berichten habe, zu Papier zu bringen.
Ihren und Lisi's Brief habe ich richtig erhalten; auch Hr. Perstenfeld den an ihn gerichteten Brief übergeben. Wenn Hr. Perstenfeld Ihnen schrieb, dass ich um einen 1/2 Schuh gewachsen, so kann er das nicht verantworten, indem ich höchstens noch zwei Zoll gewachsen sein kann. Vier solcher Faden, geben genau meine Grösse, so dass Sie, um zu sehen, ob ich gewachsen bin, nur einen 4 mal so langen Faden zu nehmen brauchen, und damit an der Kassathür gegen die früheren Maasse vergleichen. (Jaso, wir wohnen ja nicht mehr dort!) Ich befinde mich ganz wohl, was ich auch von allen lieben Angehörigen hoffe.
Der David schrieb mir letzthin, dass das Vaterland wegen Trompetenmangels in Gefahr sei. Dem Vaterlande kann geholfen werden. Das hochfürstliche Armeekommando beliebe sich an Ottensteiner, Instrumentenmacher in München, Thal No.74 zu wenden. Die zu verlangenden Instrumente heissen nicht Trompeten, sondern Signalhörner. Diess zur Beruhigung des Vaterlandes. Auf die, mir von David angetragene Trompeterstelle in unserer Armee verzichte ich aus dem Grunde, dass ich mich noch nicht für genügend musikalisch tüchtig fühle, urn so ein staatsgefährliches Disperimentum zu erlernen. Gestern las ich in der Allgm. wieder eine Schullehrerstelle in Vaduz ausgeschrieben, und zwar mit 700 fl. Wenn das so fort geht, wird man wohl noch bald einen Kapellmeister für ein etwa zu errichtendes fürstl. Landeskonservatorium benöthigen. Doch auch darauf verzichte ich.
Letzthin las ich, dass bis 1. Junius die Eisenbahn Rorschach - Chur dem Verkehr übergeben werde [1]. In dem Falle könnte ich ja heuer bis Sevelen per Dampf reisen, wenn ich nach Hause komme, oder nicht? Ich freue mich sehr, Sie, Theuerste Eltern! in diesem Sommer sehen zu können! Bis dahin leben Sie wohl, und gedenken Sie Ihres dankbarsten Sohnes

Jos. Rheinberger
München, Charfreitag 58
9 Uhr früh, bei abscheul. Wetter

NB: Dem David steigt für seinen Brief am Ostermontag Abends 9 Uhr ein Glas Salvator, und dem Toni ebenfalls. Dem Mali schreibe ich das nächste mal, und die Seffa lass ich grüssen."

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[1] Letzthin las ich... = Die Eisenbahnlinie Rorschach Chur konnte erst am 30. Juni 1858 eröffnet werden.