Bruder Peter Rheinberger schreibt seinem Vater von den ersten Eindrücken in München, wo er sein Studium am Polytechnikum aufnimmt.


Brief Bruder Peter Rheinberger an Vater Johann Peter Rheinberger
1. November 1855, München

Theuerster Vater!

Montag Abends 6 1/2 Uhr kam ich glücklich mit einem langweiligen Güterzug, der von Lindau aus 12 1/2 Stunden brauchte, hier an. Joseph, der zur Zeit meiner Ankunft im Museum war, erwartete ich dorten. Er hatte ziemlich gewachsen; in seinem Winterrock eingehüllt, seinem Zilinder, u. seinen langen Künstlerhaaren a la Fliegende Blätter hätte ich ihn so leicht nicht erkannt. Er grüsste mich zuerst - ich stund, und schaute den Unbekannten mit der Bassstimme an - und ich erkannte erst beim Schein einer Lampe das Gesicht meines Bruders. Mein Sommerrock, der mir etwas zu klein war, passt ihm wie angemessen, was ihn nicht wenig freut. Seine Künstlerhaare aber sind auf meine Veranlassung etwas kürzer geworden. Bei Hr. Perstenfeld traf ich alles zu meinem Empfange bereit und da das Zimmer ganz nett hergerichtet ist, zog ich gleich am andern Tage dort ein und abonnirte mich dort unterdessen zu gleichen Preisen, wie Josef, für ein Monat Kost und Logis...

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