Brief Josef G. Rheinberger an Schwester Elisabeth
18. Juni 1855, München
Lie- - - -bes Lie - - si!
Dein Briefchen hat mich überrascht, besonders aber, dass die Titl. Hr. Brüder so spleen- -did sind, und dir Widder Ei- -nen neuen Hut kaufen. Das Wirth Hitz gekostet haben! Es freut -mich zu vernehmen, dass Ihr Alle Euch so wohl …- findet und kein … # Euch Dissonanzen hören lasst; und dass das Mat-scherli so f--läusig ist.-
Gestern hatten wir hier Feuer--tag(Samstag), es war hier "Kelbe" (St. Benno) [1]. Es regnete den Gans--en Tag, und ich hatte Laa- - - -nge Weile -.
Nachmittags war ich bei einem Regierungsrath Ei—n-- [Notenbeispiel] laden zu einer Soirée musicale, wo ich mit--würgte.
Abends ging ich mit Ei—nem Frei--nde zum Baden nach der Georgensschwaige, einer Bad-[Notenbeispiel]nstalt, eine Stunde von hier. -
Heute ist Sonn--talg, es regnet Widder. Ich komme soeben aus Theer Kirche, und will vor dem Essen Thier noch Schrei- -ben.-
Samstag Abends 8 Uhr wurde ich mit der Symphonia fertig - sie hat gerade 160 Säu--ten; das ist a "Bumma-Arbet", däth der Hans sagen. Ich weiss nicht, das mir Häute nichts [Notenbeispiel] Scheit--es- Ein--fallt.
(Die Fee--der geht Müh--sehr--Abel schlecht, und ich schreibe doch so schön!!) Hiemit Ehr--halt--est du auch meine Faut--o--Graf--i nun.
Ich mach da gerade EI--n so Sau--res Gesicht, weil ich eben an Dich Dach--te.
Letzthin musste ich mit Eu--neer Gräfin Luxburg oft Kla-- Feuer spielen, jetzt ist sie A--Beer aufs Land [Notenbeispiel] gegangen.
Im Oratorien-Vö--rein geht nicht Meer fiel zu--Saamen, weil Allee Frau--unziefer aufs Land gehen.-
(Ich haa--b das Teu-dtsche gans ferlernt, weil ich nur Meer - Münch - närrisch röthe.-)
Das Bür ist jeezd Soeur Theuer, es kostet das Massl einen 6 Öhr und ein Lodwiks dr..erl und 2 Pfe- - -ninge, summarum 7 1/2 #er.
Frau Auber--first--Ehr--Inn lass ich krü-s-s-en und - - - 6 Takte Pausen.
Jetz Wirth aufdekt, und zsoppastootufamdesch - und nach dem [Notenbeispiel] sen Widder Meer.
Mehreren hiesigen Dr...Componisten ist es nicht recht dass meine Symphonie aufgeführt wird, sie können mich - - - - gern haben.
Jetz Gseagsgott!!!
So jetzt wär ich fertig; jetzt was Hanni gessa - a Soppa, a Brötle und an Salötle und 1/2 bir; und Du an Rebal und Polenta und an Erbssoppa und Kolrabe und melun, fuidieival romanisch bon a sera, bien-di, sessel ed ada, grando land amma piestch. Il d'iakob antoni vien cal potschambeeli, oder so nämmis [2].
Letzthin erhielt ich von einer Baronesse Riederer für Orgelspielen ein See--rschönes Halstuch zum Geschenke,- vielleicht bekomme ich noch ein paar stoppane souvenir Vatermörder zum Präsident oder a Böxle [3] voll Bartsalbe.- Auchwirthleperstenkeingeld [4] lot di grüzza, und gibt dir a Schmatzerli, halt, johalt,johalt a guats, j’tzt bhüatigott, befohlazgrüssa und schrieben bald a seen broder
gentleman englishman
Renomonte. -
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[1] "Kelbe" (St. Benno) = Kirchweihfest (Fest des Hl. Benno: 16. Juni)
[2] Uebertragung: Jetzt gesegne es Gott!!! So, jetzt wäre ich fertig. Jetzt was Hanni gegessen - eine Suppe, ein Brötchen und ein Salätchen und 1/2 Bier (oder Birne?). Und Du einen Riebel
(Speise aus angebrühtem und geröstetem Türkenmehl. Vgl. auch S.5/Z.28)und Polenta und eine Erbssuppe und Kohlraben und Maluns (Bündner Spezialität), fuidieival (romanische Anrede bei Predigten in phonetischer Schreibweise: Liebe christgläubige) romanisch guten Abend, guten Tag (sessel ed ada? vgl. S.163/Z.12), Gross-Landammanns (=Grossvaters) Schwein. (piestch = pirtg?). Der Jakob Anton soll einen Nachttopf bringen oder so etwas.
[3] Böxle = Döschen
[4] .. -perstenkeingeld = Anspielung auf die ständigen finanziellen Schwierigkeiten seines Wirtes Perstenfeld. lot di grüzza... = lässt dich grüssen, und gibt dir ein Küsschen, halt, ja halt, ja halt ein gutes, jetzt behüte dich Gott, befohlen zu grüssen (bündner Redensart der Mutter) und schreibt bald an seinen Bruder...