Brief Josef G. Rheinberger an Schwester Elisabeth
o.D. [Dezember 1854], München
Hierbei erhaltest Du Deine gewünschte Bestellung: Einen Damenhut nach Aller neuester Façon, die es hier gibt. Er kostete 6 fl u. 6 +er Trinkgeld; die Schachtel kostet 22 +er u. das Papier, wo drin ist, 2 +er, das Briefpapier für Dich u. Mali 1 +er. - Du bist mir also schuldig: 1 fl 31 +er (denn die 2 vielgeliebten Brüder gaben nur 5 fl mit für Dich). Dem Toni sag, ob er nichts zu bestellen hab, seine 2 fl warten darauf. Ich hoffe, dass der Hut nach Deinem Geschmacke sei. -
Hier sterben noch täglich Leute an der Cholera - soeben hörte ich, dass sie den Vater eines meiner Mitschüler (Bärmann) gepackt habe.
Seid indessen wegen meiner ausser Sorge, s' Unkraut verdirbt net, sagt der Peter. Ich trage jetzt einen schönen Hut - Überrock, trotz den Vaduzer Noblessen.
Das Bier ist hier dieses Jahr billig und sehr gut. -
Heute hat es Schmutz bis an die Knie - und ist ganz warm draussen.
Was macht die liebe Mutter? Sag ihr: il d'jaden Anton vin cal cup aufs Kristkindl [1] - verstanden?
Morgen wird Dein liebes 'Nigle' zu mir einziehen, was mir gerade keine grosse Freude macht.
Dem Toni Gruss und ich werd ihm bald schreiben. Peter und David ebenfalls - wenn sie die schuldigen 1 fl 31+er nicht vergessen, denn ich muss diess Jahr sparen. -
Meine Feder geht so schlecht, weil es eine Notenfeder ist - sonst kann ich auch schön schreiben, z.B.
'Tanze nicht zu viel mit Kielschwezli'. Gelt das ist schön! Was macht die Seffa, liest sie fleissig? und strickt sie kleine Socken - ? Ich lasse sie herzlich grüssen. -
Hr. Tschavoll schrieb ich einen französischen Brief.
Grosserbatscher ist nicht mehr in Feldkirch sondern nach Dornbirn versetzt.
Sobald Du den Hut erhalten, musst Du mir schreiben, sonst gehts Dir schlecht und i müsst, wenn ich zu Hause käme, Dich prügeln,
Dein Bruder
Jos. Rheinberger
Chorrepetitor des Oratoriumvereines.
München - - -.
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[1] Sag ihr: Il d'jaden Anton... = Sag ihr: Der (?) Anton soll mit einem Glas Wein aufs Kristkindl kommen. - Rh. hatte von seiner Mutter das Romanische wohl verstehen und auch etwas sprechen gelernt. Seine Schreibweise ist jedoch ohne jede Regel und vermutlich durchsetzt von mundartlichen Ausdrücken, was die Uebertragung sehr erschwert.