Jos. Rheinberger schreibt, dass er von Pfr. Öhry in Dressling und dessen Bruder aus Eschen Besuch erhielt. Er erkundigt sich, Liechtenstein tatsächlich im Herbst Österreich einverleibt werde.


Brief Jos. Rheinberger an die Eltern


München, d. 26. Febr. 1853

Theuerste Eltern!
Ich habe Ihnen dieses mal nicht viel zu berichten, ausser dass ich mich immer wohl und zufrieden befinde, was ich auch von den lieben Geschwistern, besonders aber von Ihnen hoffe. Deswegen bitte ich täglich Gott, mir die Kraft zu verleihen, mich Ihnen stets dankbar zu bezeigen. Die 20 fl, welche Sie mir geschickt haben, habe ich erhalten und das III. Quartal bezahlt. -

Am 16. d. erfreuten mich Hr. Öhry, Pfarrer von Dressling nebst seinem Bruder aus Eschen [1] mit einem Besuche. Ich hörte zu meiner grössten Freude Ihr Wohlbefinden und zu meiner Verwunderung die Vermehrung der Grenzzollwacht [2] und dass Lichtenstein auf den Herbst Österreich einverleibt werde. Ich bitte Sie, mir darüber im nächsten Briefe Aufschluss zu ertheilen, indem ich darauf sehr neugierig bin. -

Im Konservatorium werden jetzt wöchentlich zweimal Ensemble-Übungen, wobei ich immer auf der Orgel accompagnire. Auch habe ich gestern bei solcher Gelegenheit ein schönes, sehr schweres Concertstück von Joh. Seb. Bach gespielt. Seit Anfang dieses Monats wurde ich auf Veranlassung des Sohnes des Herrn Directors den Chorsängern eingereiht, wo ich II. Sopr. od. Alto singe. Die Titl. Professoren sind mit mir zufrieden - besonders Hr. Herzog, welcher mich einmal in der protest. Kirche nach dem Gottesdienst eine schöne, von ihm componirte Fuge spielen liess. -
Warum schreibt mir denn Anton, Doktor der Buchbinderkunst und wirkliches quieseirtes Ehrenmitglied der Notenabschreiberakademie, nicht? Denkt er bisweilen an mich? Dass Peter an mich denkt, hat er bewiesen. Was macht David und die übrigen Geschwister, besonders Kammervirtuosin Amalia?
Viele Grüsse und Empfehlungen an Alle, besonders aber an Sie, beste Eltern
von Ihrem dankbaren Sohn
Joseph Rheinberger

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[1] Eschen = Gemeinde im liechtensteiner Unterland
[2]Vermehrung der Grenzzollwacht = Es scheint sich hier um ein Missverständnis Rheinbergers zu handeln. Vermutlich ging es um die Massnahmen zur Ratifizierung des am 5.6.1852 abgeschlossenen Zollvertrages zwischen Liechtenstein und Oesterreich.