Josef G. Rheinberger erzählt von seinem Urlaub und dem Concert für den Grafen, Gräfin und Mama (v.Gumpenberg).


Brief von Josef G. Rheinberger an seine Eltern


München, den 12.6.54.
Theuerste Eltern!
Weil ich jetzt gerade einige Musse habe, weiss ich nichts Besseres zu thun, als wieder ein paar Zeilen nach Hause zu richten. -
Freitag vor Pfingsten nahm ich auf ein paar Tage Urlaub, ging oder fuhr nach Türkenfeld, wurde sehr freundlich aufgenommen, blieb bis Dienstag früh, wo Hr. Wolfinger sich mit mir nach Seefeld begab.
Hr. Oehry kannte mich im Anfange gar nicht mehr, so sei ich gewachsen (wenns wahr wär). Nachmittag hatte ich die Ehre, dem Grafen sowie der Gräfin und Mama (v. Gumpenberg) vorgestellt zu werden. Ich war etwas ängstlich, aber sobald ich das Klavier erblickte, so wars vorbei - spielte mehrere brillante Stücke aus dem Kopfe, und sonderbar, eine meiner Compositionen hatte die Ehre, am besten zu gefallen, ohne dass sie es wussten, dass es von mir sei. Frau Gräfin ist gut musikalisch, legte mir Verschiedenes vor, und so spielte ich volle zwei Stunden; dann brachte die Gräfin ein Tässchen Kaffee.
Später spielte ich auch beim Sekretär des Grafen, der legte mir ein Concert von Herz vor und sagte nur 'na, s'is aus, das vom Blatt zu spielen, s'is aus'....
Freitags früh kam ich wieder hieher. -
Nächstens werde ich mit einer 'Oper' beginnen, wozu mich Hr. Prof. Schafhäutl ermunterte.

Wie ist's denn mit den Märschen? Peter soll mir nochmal schreiben for er kommt [1]. -

Jetzt ist's Papier wieder gar und ich wüsste noch so viel. Lebt wohl, Theuerste Eltern und Geschwister,
bald mündliches von Eurem Sohn und Bruder
Jos. Rheinberger.

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[1]... for er kommt = ehe er kommt (mundartlich)