Fürstenbrief von Kaiser Ferdinand II. für das Haus Liechtenstein, in dem die Stadt und Herrschaft Moravský Krumlov (Mährisch Kromau) in ein Fürstentum erhoben werden.


Littera A.[1]

Wir Ferdinand der Ander[2] von Gottes gnaden erwählter römischer kayßer, zu allen zeiten mehrer des Reichs[3], in Germanien[4], zu Hungarn[5], Böheimb[6], Dalmatien[7], Croatien[8] und Sclavonien[9] könig, ertzhertzog zu Oesterreich[10], hertzog zu Burgundt[11], marggraff zu Mähren[12], hertzog zu Lützenburg[13], in Schlesien[14], zu Braband[15], zu Steyr[16], zu Cärndten[17], Crain[18], Würtenberg[19] und Teckh[20], fürst zu Schwaben[21], marggraff zu Ober- und Niederlausnitz[22], gefürsteter graff zu Habspurg[23], zu Tyrol[24], zu Pfirdt[25], zu Kyburg[26] und zu Görtz[27], landgraff in Elsaß[28], marggraff des Heyligen Römischen Reichs Ob der Enns[29] und zu Burgau[30], herr auff der Windischen Marck[31], zu Portenau[32] und Salins[33], etc.

Bekennen für uns und unsere nachkommen als regierender könig zu Böheimb und marggraff zu Mähren öffentlich mit diesem brieff und thuen kund allermänniglich[34].

Demnach wir dem hochgebohrnen unserm oheimb und des Heyligen Römischen Reichs lieben, getreuen Gundackern, fürsten von Lichtenstein[35] und Nicolspurg[36], graffen zu Rittberg[37], unserm geheimen rath und cammerern, die aus sonderbahren uns hierzu bewegenden ursachen kayserliche und königliche gnad gethan / und seiner liebden[38] in unserm erbmarggraffthumb Mähren gelegene herrschafften Cromau[39], Ostra[40] und alle andere gütter, so von uns die erkaufft haben, sambt denen herrschafften und güttern, so seiner liebden und dero erben künfftiger zeit durch rechmäßige titl an sich bringen, und ob besagten herrschafften und güttern incorporiren[41] werden, mit allen ihren regalien[42], herrligkeiten, obrigkeiten und pertinentien[43] zu der dignität[44] und würde eines fürstenthumbs erhebt[45], auch bemelte stadt Cromau durch veränderung ihres vorigen nahmens Cromau mit dem nahmen und prædicat[46] „Lichtenstein“ begabet.

Und uns nun hierauff gedachte seine liebden ferner unterthänigst angelangt und gebeten, wir hierüber vermittels unsers königlichen diplomatis[47] die weitere nothdurfft bey unserer königlich Böheimischen Hoffcantzley[48] verfertigen zu lassen geruhen wollten.

Wir auch in kayserlichen und königlichen gnaden angesehen, solche seiner liebden gehorsamste zimbliche bitt, wie nicht weniger zu kayßer- und königlichen gemüth gezogen, die getreue, willig-ste, nütz- und wohlersprießlichste bekante dienste, so uns und unserem hochlöblichen ertzhause Oesterreich seiner liebden nicht weniger, als dero vorfahren vielfältig zu unserm gnädigsten wohlgefallen jederzeit in standhaffter fidelitet præstirt[49] und erwiesen, noch täglichen thun und hinführo zu thun wohl geneigt und erböthig sindt, auch wohl thun können, sollen und mögen.

Als haben wir darein in kayserlichen und königlichen gnaden verwilliget, thuen das hiemit und in krafft dieses brieffs als regierender könig zu Böheimb und / marggraff zu Mähren erigiren[50] und erheben mehr gedachte gütter und die stadt Cromau, sambt denen herrschafften und güttern, so sie oder ihre erben inskünfftig rechtmäßiger weise in Mähren an sich bringen und solchem für-stenthumb incorporiren würden, mit aller derselben ob- und bottmäßigkeiten, bishero gehabten regalien, herrligkeiten, obrigkeiten und pertinentien zu einem fürstenthumb.

Begaben es auch, wie gedacht, mit dem nahmen und prædicat „Lichtenstein“ also und dergestalt, daß es nun hinführo zu ewigen zeiten ein fürstenthumb seyn und sambt der stadt den nahmen „Lichtenstein“ haben, auch von männiglichen dafür gewürdiget, geachtet, erkennt und also genennet werden, auch seiner liebden und dero erben andere erkauffende mährische gütter darzuzuschlagen und zu incorporiren guten fug und macht haben sollen.

Belangend aber die allgemeinen landes contributionen[51], haus und andere steuern und bewillig-ungen, wie die genennt werden möchten, und von mehr bemelten stadt, herrschafften und güttern aniezo aber nunmehro als von dem „Fürstenthumb Lichtenstein“ von alters hero in unserm erbmarggraffthumb Mähren gereicht und gegeben werden, auch sonst gebräuchlich gewesen, sowohl was sonsten auff solchen güttern hafftet, da solle es allenthalben in vorigem standt verbleiben, und außer dieser erection und erhebung ob berührter stadt und gütter in den standt eines fürstenthumbs nicht geändert werden, maßen wir dann auch alle königlichen regalien, recht und gerechtig- / keit, wie die nahmen haben möchten, für uns, unsere erben, nachkommende könige zu Böheimb und marggraffen zu  Mähren kräfftiglich reservirt und vorbehalten haben wollen.

Und gebieten hierauff allen unseren unterthanen, sowohl geist- als weltlichen, insonderheit aber unsern edlen räthen, obristen landofficieren und sonsten männiglich, was hohen oder niederen standtes, ambts oder condition[52], die in unserm königreich Böheimb und erbmarggraffthumb Mähren, auch andern incorporirten landen seyn, jetzigen und künfftigen, daß die mehr ermelt „Fürstenthumb Lichtenstein“ also achten, halten und erkennen, nennen und tituliren, wieder diese, unsere gnädigste erhebung zu einem fürstenthumb und ertheilte begnadung nichts thuen, noch jemanden anderen zu thun gestatten, in keinerley weis noch weege, als lieb einem jeden sey, unser kayserliche und königlichen ungnad und straff und darzu eine poen,[53] nemblich 200 marck löthiges goldtes zu vermeyden, die ein jeder, so offt er freventlich darwieder thäte, uns halb in unsere Cammer[54] und den andern halben theil viel gedachten fürsten Gundackern von Lichtenstein, liebden, oder deren erben, unnachlässig zu bezahlen verfallen seyn solle.

Dessen zu wahrer urkhundt haben wir diesen brieff mit unser kayserlichen und königlichen handt unterschrifft und angehendtem größern insiegel bekräfftiget.

Geben in unserer stadt Wienn[55], den 22. monathstag Decembris nach Christi unsers lieben herrn und seeligmachers gnadenreichen geburth im 1633, unserer Reiche, des Römischen im 15., den Hungarischen im 16. und des Bömischen im 17. jahre.

Ferdinandt.

Gulielmus comes Slavata[56] 

Regis Bohemiæ supremus cancellarius[57].

Ad mandatum sacræ cæsareæ maiestatis proprium.[58] 

Albrecht von Kollowrath[59], manu propria[60].

D. Freißleben.

 


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[1]Beilage (Urkunde ) A.

[2] Ferdinand II. aus dem Haus Habsburg (1578–1637) war von 1619 bis zu seinem Tod Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Vgl. Karl Eder, Ferdinand II.; in: Neue Deutsche Biographie (NDB) 5 (1961), S. 83–85.

[3] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich in Mitteleuropa und Norditalien vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[4] Von den Römern abgeleiteter Begriff für das heutige Mitteleuropa, grob gesprochen das Heilige Römische Reich ohne Reichsitalien.

[5] Königreich Ungarn, heute grob gesprochen Ungarn, die Slowakei, Teile Rumäniens und Ostösterreichs.

[6] Königreich Böhmen oder die Böhmischew Krone, heute Tschechien und Teile von Polen und Deutschland.

[7] Die Habsburger als Könige von Kroatien und Slawonien führten auch den Titel von Königen von Dalmatien, obwohl das Territorium an der östlichen Adria mehrheitlich unter Kontrolle der Republik Venedig stand.

[8] Königreich Kroatien.

[9] Königreich Slawonien, heute der Ostteil der Republik Kroatien.

[10] Den Titel eines Erzherzogs von Österreich wollten die Habsburger schon seit dem gefälschten Privilegium Maius von 1359 führen. Reichsrechtlich verbindlich und legal wurde er allerdings erst 1453, als ihn Kaiser Friedrich III. bestätigte.

[11]Die Habsburger führten als Nachfolger der Herzöge von Burgund diesen Titel, obwohl das Territorium vom französischen König regiert wurde.

[12] Die Markgrafschaft Mähren war Bestandteil der Böhmischen Krone und ist heute Teil von Tschechien.

[13] Den Titel eines Herzogs von Luxemburg führten auch die österreichischen Habsburger, obwohl das Territorium von den spanischen Habsburgern bis 1700 regiert wurde.

[14] Die Herzogtümer in Schlesien waren Bestandteile der Böhmischen Krone. Heute gehören die meisten Gebiete der ehemaligen Herzogtümer zu Polen, ein kleinerer Teil zu Tschechien sowie der äußerste Westen zu Deutschland.

[15] Den Titel eines Herzogs von Brabant führten auch die österreichischen Habsburger, obwohl das Territorium von den spanischen Habsburgern bis 1700 regiert wurde. Heute gehört ein Teil des alten Herzogtums zu Belgien, ein anderer zu den Niederlanden.

[16] Herzogtum Steiermark, heute Österreich und das östliche Slowenien.

[17] Herzogtum Kärnten, heute Österreich sowie kleine Teile von Slowenien und Italien.

[18] Herzogtum Krain, heute Slowenien.

[19] Die Habsburger führten seit 1520 den Titel eines Herzogs von Württemberg, obwohl das Territorium seit dem Vertrag von Kaaden (1534) von seinem angestammten Fürstenhaus regiert wurde. Allerdings erhielten die Württemberger Herzöge ihr Lehen nicht direkt vom Heiligen Römischen Reich, sondern als österreichisches Afterlehen.

[20] Die Herzöge von Württemberg führten auch den Titel von Herzögen von Teck. Die Habsburger beanspruchten und führten den Titel aufgrund der Tatsache, dass sie auch den Württemberger Herzogstitel verwenden durften.

[21]Die Habsburger führten den Titel eines Fürsten zu Schwaben seit Kaiser Maximilian I., um ihren hegemonialen Herrschaftsanspruch im Südwesten des Heiligen Römischen Reichs zu untermauern.

[22]Die Markgrafschaften Ober- und Niederlausitz waren Lehen der Böhmischen Krone und wurden bis 1635 von den Habsburgern als Könige von Böhmen regiert, danach erhielten die Herzöge von Sachsen die Territorien als böhmische Lehen. Heute gehören die beiden Lausitzen teilweise zu Polen, teilweise zu Deutschland.

[23] Die Habsburger führten den Titel eines (gefürsteten) Grafen von Habsburg weiterhin, obwohl sie das Territorium im heutigen Schweizer Kanton Aargau schon 1415 an die Eidgenossen verloren hatten.

[24] Grafschaft Tirol, heute im Norden österreichisch, im Süden italienisch.

[25] Grafschaft Pfirdt, franz. Ferrette, im Oberelsass, heute Frankreich.

[26] Die Habsburger führten den Titel eines Grafen von Kyburg weiterhin, obwohl sie das Territorium bereits 1452 an die eidgenössische Stadt Zürich verkauft hatten.

[27] Grafschaft Görz, ital. Gorizia, slow. Gorica, heute teilweise Italien, teilweise Slowenien.

[28]Die Habsburger führten den Titel eines Landgrafen im Elsass, um ihren hegemonialen Herrschaftsanspruch im Südwesten des Heiligen Römischen Reichs zu untermauern. Heute gehört das Territorium zu Frankreich.

[29] Damit ist der größere Teil des Territoriums des heutigen österreichischen Bundeslandes Oberösterreich gemeint.

[30]Markgrafschaft Burgau in Schwaben, heute Bayern, Deutschland.

[31] Die Windische Mark liegt in Unterkrain, slow. Dolenjska, und gehört heute zu Slowenien.

[32] Die Habsburger führten den Titel von Herren von Portenau, ital. Pordenone, weiterhin, obwohl sie die Stadt in Friaul schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts an die Republik Venedig verloren hatten.

[33] Die Herrschaft Salins, franz. Salins-les-Bains, liegt im Jura, heute Frankreich.

[34]jedermann.

[35] Gundaker Fürst von Liechtenstein (15801658). Vgl. Gustav Wilhelm, Stammtafel des Fürstlichen Hauses von und zu Liechtenstein, Vaduz 1985, Tafel 4; Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 124.

[36]Nikolsburg (Mikulov), Stadt und Herrschaft in Mähren, heute Tschechien.

[37]Grafschaft Rietberg, heute in Nordrhein-Westfalen (D).

[38] Liebden: schriftliche und mündliche Anrede unter Fürsten (hohen Adeligen).

[39]Moravský Krumlov (Mährisch Kromau), Stadt und Herrschaft in Mähren, heute Tschechien.

[40]Ungarisch Ostra (Uherský Ostroh), Stadt und Herrschaft in Mähren, heute Tschechien.

[41]einverleiben.

[42]Hoheitsrechten.

[43]Zugehörungen.

[44]Stellung.

[45] Otto Seger verwies bereit 1968 in einem Artikel, dass die Erhebung zu einem Fürstentum Liechtenstein 1633 existierte, jedoch für Sitz und Stimme auf dem Reichstag ohne Bedeutung war, weil es sich um Besitzungen handelte, die Teil der Markgrafschaft Mähren waren, die zur Böhmischen Krone gehörte und von den Habsburgern regiert wurde. Somit war dieses Gebiet nicht reichsunmittelbar. Bei der Erhebung von Vaduz und Schellenberg zu einem geeinten Fürstentum Liechtenstein im Jahr 1719 wurde diese Bezeichnung auf Vaduz übertragen. Vgl. Otto Seger, 250 Jahre Fürstentum Liechtenstein; in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 68 (Vaduz 1968), S. 5–61; hier: S. 22.

[46]Namenszusatz.

[47]Adelsbrief.

[48] Die Böhmische Hofkanzlei war die für Böhmen zuständige Verwaltungs- und Finanzbehörde, die allein dem böhmischen König unterstellt und von der Österreichischen Hofkanzlei abgesondert war. Vgl. Eila Hassenpflug-Elzholz, Böhmen und die böhmischen Stände in der Zeit des beginnenden Zentralismus (=Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 30), Oldenburg 1982, S. 75–78.

[49]fidelitet præstirt“: Treue geleistet.

[50]erheben.

[51]Steuern.

[52]Dienst (Stelle).

[53]Buße (Strafe).

[54]Die Kammer war die Behörde, die die Einkünfte und Ausgaben eines Landesherrn verwaltete.

[55]Wien.

[56]Graf Wilhelm Slavata von Chlum und Koschumberg (15721652) war Oberstkämmerer und Oberstkanzler von Böhmen. Vgl. Robert Luft, Slawata, Wilhelm Graf von Chlum und Koschumberg; in: NDB 24 (2010), S. 496–499

[57]Regis Bohemiæ supremus cancellarius“: Des Königs von Böhmen Oberstkanzler.

[58]Ad mandatum sacræ cæsareæ maiestatis proprium“: Auf eigenen Befehl der heiligen kaiserlichen Majestät.

[59]Die Kolowrat waren ein böhmisch-österreichisches Adelsgeschlecht. Vgl. Roman von Prochazka, Genealogisches Handbuch erloschener böhmischer Herrenstandfamilien. Ergänzungsband, herausgegeben vom Vorstand des Collegium Carolinum (Institut). R. Oldenbourg-Verlag München 1990.

[60]eigenhändig.