Johann Franz Paur [Bauer] schreibt dem fürst-liechtensteinischen Großmeister der Finanzen, Georg Anton Fellner seine Ansicht über das Verhalten des Fürstabts von Kempten bei den Kaufverhandlungen Vaduz betreffend und berichtet über die fehlenden herrschaftlichen Güter im Schellenberger Urbar.
Hochedler gestrenger hochgelehrter gestrenger, hochverehrtester herr, wehrtester patron, etc. Auf das beliebte vom 19. Januarii letsthin und erst gestern eingegangenes lasse nebst remittierung deß originalß unverhallten, daß ich meines ohrts ad 1. nichts zue erinnern wisse. In membro 2. aber die terminis zimlich expressiv seyen. Ich auch dahin gestellt lasse, ob mit 85.000 fl. alles, was von Kempten angefihrt wirdt, außzuetilgen möglich were. Bevorab die kayserliche commission die herrschafftlich schellenbergische underthanen annoch mit 12.000 und dato verfallendten dreyjahrszünßen gegen hiesige statt zue vertretten hat, welliche posst alleinig schon 13.600 fl. absorbieret, denen armen dahinder annoch verbundenen underthanen aber all seiner fetten hennen getrohet wirdt. Ad 3. et 4. finde ich nichts zue erinnern, weylen mir von kemptischen allegatis zum thayl nichts bekhandt, thayls auch auß dem von mir begriffenen driten kauffsproiect die weithere nothurfft erhellet. In gedachtem meiner unmasgeblichen intention ingleichem seine abhilff mit diser fernerwerthen erinnerung, das die alternativa, wie ich bis daher in praxi befunden, keine causa circuli, sondern partium integrantium und dem Crays wenig darahn gelegen seye, ob der embs- oder vadutz- und schellenbergische innhaber dan und wan das embsische votum füehre und den stand Embs vertrette. Auch erst alsdan hunc in casum causam suam daraus machen würde, da nemlichen / Vaduz und Schellenberg sich ein absonderliches votum ex pactis contrahentium arrogieren, und der verkäuffer dem käuffer sothane prærogativ zuelegen wollte, prius est in praxi notissimum und in specie bey dem verthaylten gräflich truchsäss und fuggerischen häußern die ybung quotidiane, wais man dan ex parte Kemptens seine verdächtige außhallffterung mit besserem grund zue solidieren, will ich sollichen nichts derogieren. Der 7. puncten hat sein bewenden. Den 8. belangendt, ist ia freylich wahr, das sollicher die kauffstractaten in se nit angeht, wan man aber die gefährlichkeit der differenz, woryber schweizerischer seyths dem bericht nach schon einige todt geschossen und verwundet worden, von kayserlicher commissions beamptung nit außgemachet und ererteret wirdt, sehe ich nit, wie die herrschafft Vaduz dem käuffer ohnahngefochten eingeraumbt werden könne. Herr Motz wais nur gahr zue wohl, was für ein stükh sandes es betreffe und disem alle iurisdictionalia mit verbunden seyn. Man will aber nit gehrn in das licht gehen, etc. Auf den 9. puncten gebe ich meine unmasgebliche erinnerung dahin, und zwar membratim. 1. absolutissime unwahr zue sein, daß die 77 lbd. landsteyr noch heitiges tags under dem namen der behepten steyr eingehen, und belege solliches nit allein mit gegenwertigen attestato, sondern es were mir ybel gesagt, wan etwas eingegangen were, und meine ambtsrechnung darvon nichts wissen sollte. Der herr kemptische cammerdirector sollte fein zwischen Vaduz und Schellenberg distinguieren, als dan er begreiffen würde, das die behepte steyr nit alda, sondern zue Vaduz / eingehe und bezogen werde. Dan ist 2. nit die quæstio von denen 47 viertel liquidem scheffhaber, wellichen Ruggel, Gamperin, Benderen, Müsener und Schellenberger liferen, sondern von dem jenseith Rheins. Alß woryber die erhöbliche beschwerde ist, das sub rubrica scheffhaber vi urbarii jenseith Rheins von Hansen Bebesen haus bis zue Stephan Bebesen haus, item von dem Lentzenbach bis zue Hans Bebesen haus, wellicher bezirh ad 230 häuser begreifft, dem inhaber der herrschafft Schellenberg neben obigen 47 viertel haber von iedem haus ½ viertel scheffhaber geraicht werden solle, und ultra hominum memoria nit ein spreyer [?] gestanden werde. 3. ist der Ruggeler mühlen halber ja wahr, daß zwar das urbarium von 50 fl. mühlenzünß nichts sage, und eben die gröste clag seye, daß man so ein unreines urbarium heraußgegeben habe, solliches auch ad subditorum instantiam von commissions wegen nit bereinigen, noch darvon heren wollte. Melioration ist nit eines khreizers groß zue hoffen, ja quod plus est, die mühlen ist mir schon öffters nach ahnweis der verhandenen documenten ahn gnädigste herrschafft zue leßen hinngeschlagen worden. Ich muß mich aber dises passus halber ob angustiam temporis auf die vor langem underthänigst yberraichte defectus urbarii beziehen, wo da der wahre bericht endthallten. Der kemptische vorwand und 4. die waldungen belangendte, ist wohl kahl. Ex rationibus, erstlich weylen der wildpan und waldungen in dem urbari zwey distinguierte folia et rubricas haben. Zweytens wan die in der waldungs rubric compræhendierte waldungen kein herrschafftliches aigenthum denotieren und anzeigen sollten, sondern nach kemptischer meinung nun die forstgerechtßame darundter verstanden würde, so müesste noch vill, ja mehr dan hundert wälder, denen underthanen zuständig, in ea begriffen sein, oder es were drittens die nota urbarii yber die / wildpans gerechtsame superflua. Mihi enim ineptum [sic!] esse videtur, aliquid velle sub intelligere, quod notus expressis denotat. Viertens contradiciert man sich in terminis, allegando, man hette in dem vormahlen communicierten schellenbergischen anschlag zue sehen gehabt, was masen schon vor vilen jahren das aigene holz auf Gantenstein, auch das buch- und thannholz aufm Herrnbüchl den gemeinden were verkaufft worden, wo hingegen man dato das aigenthum eliminieren, und die notam auf die forstsgerechtsame ausdeithen will. Sollte aber 5., so mir unwissendt ist, in dem anschlag der verkhauff dißer stücken memoriert worden sein, hette man keiner eviction zue gedenckhen. Posito non tum concessit. Es ertragete 6. contra tenorem urbarii, die fischerey 13 fl., der zoll 80 fl., das umgellt 200 fl., wo doch jene nur 8 fl., der zoll 60 fl., das ungellt aber mit 150 fl. bringt, so lasset sich doch bluth ybel daraus argumentieren, ergo ist man kein eviction schuldig. Quo posito, man sich bey diser occurrenz per propriam industria die eviction præstieren müsste. Es wird aber 7. der herr cammerdirector Motz, da er anderster die nasen in das urbarium steckhen will, a contrario auch finden, das selbiges der hoch- und nideren obrigkeits wegen 300 fl. einkommens außwerffe, diße ordinarie aber nit 200 fl. bringen, zue geschweigen 8., das in dem wildpan similiter kaum ein fux oder has, schwartz- und rothes- oder auch federgewild aber gahr nichts anzuetreffen seye, und gleichwohlen das urbarium von disem ein großes geschreu mache etc. In causa evictionis et defectum habe ich dem herren von Heinisch einstens erleitherung geben, und darfürhallten wollen, das, wan ihro hochfürstlich durchlaucht, unßer gnädigster herr, etc., per accessum 10.000 fl. pro evictione beheupten, oder Vaduz umb sovill wollfayler haben künte, man gleichwohlen, und ohnahngeßehen der abgang ein / gröseres vernachthaylige, dando et retinendo, aquierieren derffe. Die zeith presiert, muß also abbrechen und mit ahnwünschung leicht und wolverdinstlicher fassen, die weithere befelch erwarhten, nebst gehorsamster meiner empfehlung verpleibendte. Meines hochgeehrtesten und wehrtesten herrn patron. Feldtkirch, den 7. Februari 1701. Gehorsamer diener […]. Johann Franz Paur, manu propria. / [Rubrum] Præstentatum, 3. Martii anno 1701. Herr verwalter zu Schellenberg gibt sein parere auf des fürsten zu Kempten antworth. Schreiben in puncto defectuum urbarii und kauff Vaduz. [Adresse] Dem hochedl gestreng und hochgelehrten herren Georg Antoni Felner, hochfürstlich Adam lichtensteinischen rath, referendario und hofzahlmaister, meinem insonders hochgeehrten herren und wehrtesten patron. Wien per Felsperg.[a]
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Georg Anton Fellner war Finanzmeister des Fürsten Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein. Vorläufig kein Nachweis. Rupert von Bodman (1646–1728) war von 1678 bis 1728 Fürstabt von Kempten und ab 1681 kaiserlicher Verwalter von Vaduz und Schellenberg. Vgl. Otto Seger, Rupert von Bodman, Fürstabt von Kempten, in seinem Wirken für unser Land. In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1978; Paul Vogt, Der 18. Januar 1699 – Wendepunkt in unserer Geschichte? In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1999. Der Schwäbische Kreis war einer von 10 Reichskreisen des Heiligen Römischen Reichs, zu dem auch die Graf- und Herrschaften Vaduz und Schellenberg gehörten. Vgl. Winfried Dotzauer, die deutschen Reichskreise (1383–1806). Geschichte und Aktenedition, Stuttgart 1998. Gemeint ist die Adelsfamilie Waldburg-Wolfegg, ein Zweig des ursprünglich welfisch-staufischen Ministerialengeschlechts Waldburg, der 1595 entstand. Die Grafen von Fugger sind ein schwäbisches Kaufmannsgeschlecht. Dr. jur. Johann Jakob Motz (1654–1706) war Hofkammerdirektor in Kempten und während der kaiserlichen Administration der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg abgeordneter Kommissar. Vgl. Karl Heinz Burmeister, Motz Johann Jakob, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 2, S. 627. Letzibach (†), Vaduz. Vgl. Hans Stricker (Leitung), Toni Banzer, Herbert Hilbe (Bearbeiter), Liechtensteiner Namenbuch (LNB). Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 2, Vaduz 1999, S. 348. Heraböchel, Schellenberg. Vgl. LNB, Ortsnamen, Bd. 4, S. 205. Adam Ignaz Edler von Heünisch war als Reichshofratsagent 1698 im Hofkalender erwähnt. Vgl. Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), Sig. 544.720-A.Alt-1698. Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127. Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.
[a] Darüber befindet sich ein aufgedrücktes Lacksiegel und der Vermerk: franco ½.
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