Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein über die bestehenden Probleme von Seiten der Stadt Feldkirch wegen der gekauften kaiserlichen Hubhausbrandstatt und dass Graf Jakob Hannibal III. von Hohenems bereits neue Schulden über 40.000 Gulden angehäuft haben soll.


Durchleuchtigester fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc., etc.[1]

So kostbar und beschwerlich auch gegenwertiges mein quartier ist, so muß ichs doch ex defectu[2] eines anderen nach gnädigest empfangenem befelch widerumben conducieren[3].

Nach der Oberösterreichischen Hofcammer letsthin underthänigst communicierten guetachten glaubete ich, ewr hochfürstlich durchlaucht memoriale ad cæsarem remittiert[4] zue sein. Es zaiget mir aber der von herren huebmaistern[5] mir verthrawlich gegonte anschluss ein anderes. Der mitwochs negstkhünfftig darauf abgehendte bericht und parere[6] ist zwischen unß discursim[7] schon concertiert[8] und darauß zue hoffen, daß mit der zeith daß vorhin gnädigst bekhandte absehen vollgen werde. Verwichenen Sontag hat auch die statt von Ynsprugg[9] ratione[10] der hofstätten einen befelch bekommen, den innhallt kan ich nit penetrieren[11], ausser solle sich der allte stattamman haben verlauthen lassen, recht geschehete ihro, wie es gienge, er hette alle zeith zue freyer hinlassung eingerathen, nun müsste mans thun und hette also den spott zue gewin. Die zeith wirdt daß ver- / läßigere gebe. Sonsten ist kein anderes mittel yberig, allß ahn der brandstatt[12] daß schadhaffte gemäur abgetragen werde. Die ohne underlass abfallendte stein ruinieren daß tach totaliter[13]. Dises ist mir yber alle bißhero ahngewendte uncössten, sorg und müehe schon ahn dreyen ohrten ein- und erst gesteren ich neben einem maurer und khnecht beynahem zu todt geschlagen worden. Bis Mittfassten[14] solle der sonsten in der Schweiz subsistierendte[15] embsiche[16] herr graf[17] von Rom[18] revertieren[19], inmittels verlauthet herr graf Hanibal[20] habe in zeith anderhalb jahren 40.000 fl.[21] newe schulden contrahiert[22], welliches, da es wahr, ad instantiam agnatorum die publicationem prodigalitatis[23] bald nach sich ziehen ferffte. Ewr hochfürstlich durchlaucht anbey zue hochen hulden und gnaden mich immerforth underthänigest empfehlendte.

Eur hochfürstlich durchlaucht.

Feldtkhirch[24], den 28. Jener anno[25] 1701.

Underthänigst, threw gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[26], manu propria[27]. /

[Beilage]

Post scriptum.

Bey der römisch kayserlichen mayestät[28] hat dero cammerer und geheimer rath deß herrn fürsten Johann Adam Andre von Lichtenstein, fürstlichen durchlaucht, umb gnädigsten befelchs erthaylung ahn den magistrat zue Feldtkhirch crafft deren seinen fürstlichen durchlaucht abgebranten allten Huebhauß daselbsten nichts newes aufgebürdet, sonder auch das anderweit angführte eben auch durch kauff ahn sich gebrachte sogenante Annaische brandstättl unverwaigerlich nach getroffener kauffsabröd yberlassen werden solle, in dem anschluss allerunderthänigst belanget, eich dasjenige, was das Annaische brandtstättl anbetrifft, alls auch yber die prætendierendte[29] befreyung deß allten Hubehaußes ewern bericht und parere neben zurükhstellung der einlag erstatten sollet.

Datum Insprug, den 14. Jener anno 1701.

Der römisch kayserlichen mayestät præsidenten und hofcammerräthe Oberösterreichische Landen.

Johann Frantz von Correth.[30]

Johann Christoph von Pach.

Franz Friderich Payer [?]. /

[Dorsalvermerk]

Copia Oberösterreichische Hoffcammer befelchs ahn titel herrn huebmaistern von Feldtkhirch.

Datum Insprug, den 14. Jener anno 1701. /

[Rubrum]

Præstentatum[31], den 14. Februarii 1701. Schellenbergischer verwalter per deren erkaufften brandstätten zu Feldkirch, graf Hannibal von Hohenembs habe zeith 1 ½ jahren widerumb 40.000 fl. schulden contrahiret.

[Adresse]

Dem durchleuchtigisten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreaß, deß Heyligen Römischen Reichs[32] fürsten und regiereren deß haußes Lichtenstein von Nickholspurg[33], in Schleßien[34] hertzogen zue Troppaw[35] und Jägerndorff[36], rittern des Guldenen Flüsses[37], der römisch kayserlichen mayestät, etc. etc. würkhlichen geheimen rath und cammereren, etc. Ihro durchlaucht, meinem gnädigisten herren.

Wien[38] per[39] Feldtsperg[40][a]

 


______________

[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2]aus Mangel.

[3]mieten.

[4]memoriale ad cæsarem remittiert“: schriftliche Eingabe beim Kaiser zurückgesendet. 

[5] Anton Dominik Schmidl(in) (Schmied(el)) von Löwenfeld (Lebenfeld) war um 1700 Hubmeister in Feldkirch. Vgl. Susanne Lotteraner, Die Vögte und Hubmeister in den vier Herrschaften vor dem Arlberg in der Frühen Neuzeit, unged. Dipl., Wien 2011, S. 80; Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 35 Schle– Schwa, Leipzig 1731–1754, Sp. 434.

[6]schriftliche Gutachten.

[7]plaudernd.

[8]besprochen.

[9]Innsbruck (A).

[10]wegen.

[11]drängen zu erfahren.

[12]In der Schlossergasse 8 in Feldkirch befindet sich das Palais Liechtenstein. Vorher stand an dieser Stelle das kaiserliche oberösterreichische Hubhaus. Nachdem dieses bei einem Stadtbrand 1697 abbrannte, kaufte Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein diese Brandstätte zusammen mit der angrenzenden kleinen Anna’schen Brandstatt und ließ auf beiden Brandstätten ein Amtshaus errichten, welches von den liechtensteinischen Landvögten im 18. Jahrhundert verwendet wurde. 1774 wurde das Gebäude verkauft. Heute befindet sich darin das Stadtarchiv und die Stadtbibliothek. Vgl. Arthur Hager, Das ehemals fürstlich liechtensteinische Haus in Feldkirch. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 63, Vaduz 1964, S. 141–153; hier: S. 143–144; Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Vorarlberg, Feldkirch, Profanbauten, Schlossergasse 8, Ehemaliges Palais Liechtenstein. Topographisches Denkmälerinventar herausgegeben vom Bundesdenkmalamt. bearb. in der Abteilung für Denkmalforschung, früher: Institut für österreichische Kunstforschung. Bearb. von Gert Ammann, Martin Bitschnau, Paul Rachbauer, Helmut Swozilek mit Beiträgen von Géza Hajós, Horst R. Huber, Herlinde Menardi, Elmar Vonbank. Verlag Anton Schroll & Co, Wien 1983, S. 207.

[13]völlig.

[14]Letare wurde im Jahr 1701 am 6. März gefeiert. Vgl. Hermann Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Hannover 1891–1898, S. 154.

[15]sich aufhaltende.

[16]hohenemsische.

[17] Franz Karl Anton Graf von Hohenems (1. August 1650–16. März 1713) war der älteste Sohn von Karl Friedrich Graf von Hohenems (1622–1675). Er heiratete 1678 Franziska Schmidlin von Lebenfeld (gest. 1728), die Tochter seines Oberpflegers, „… die er ihm zur linken Hand trauen und hernach von sich lies und keine Kinder mit ihr zeugte…“ (Zedler). Als er wegen seiner Misswirtschaft und anderer Vergehen eine Reichsexekution gegen seine Herrschaften befürchtete, zog er sich 1687 auf seine Herrschaft Widnau-Haslach auf der linken Seite des Rheins zurück. Vgl. Graf Jakob Hannibal III. von Hohenems an Graf Ferdinand Bonaventura I. von Harrach, Ausf., Vaduz 1678 Juli 9, ÖStA, AVA, GHFA 252, unfol.; Joseph Bergmann, Die Reichsgrafen von und zu Hohenembs in Vorarlberg. Dargestellt und beleuchtet in den Ereignissen ihrer Zeit, vom Jahre 1560 bis zu ihrem Erlöschen 1759. Mit Rücksicht auf die weiblichen Nachkommen beider Linien von 1759–1860, Wien 1860, S. 60–61, S.111; Wurzbach, Bd. 9, Hibler Hysel, Wien 1863, S. 189; Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 13, Hi – Hz, Leipzig 1739, S. 525.

[18]Rom (I).

[19]zurückkehren.

[20] Jakob Hannibal III. Friedrich Graf von Hohenems (7. März 1653–12. August 1730, Wien) war ein Sohn von Franz Wilhelm I. (1627–1662) und Eleonora Katharina, geb. Landgräfin von Fürstenberg, (gest. am 18. Februar 1670). Er war verh. mit Anna Ämilia Freiin von Schauenstein-Ehrenfels (1652–1734). Kinder: Hermann Ferdinand Bonaventura (1678, bald gest.), Ämilia Antonia Carolina (Charlotta) (1680–1752), Anna Maria (geb. 1680), verh. mit Johann Adam Freiherr von Behlen, Eleonora Katharina (getauft am 12. März 1682 in Schaan, bald gest.), Maria Franziska (geb. 1682, bald gest.), Maria Anna (geb. 1684, bald gest.), Franz Wilhelm Rudolf (1686–1756), Josef Leopold (1691, bald gest.), Bartholomaeus Ulrich (gest. 1692). Zwischen 1686 und 1712 regierte er in der Grafschaft Vaduz und bis 1699 auch in der Herrschaft Schellenberg. Vgl. Bergmann, Die Reichsgrafen, S. 112; Wurzbach, Bd. 9, S. 189; Zedler, Bd. 13, S. 526.

[21]fl. = Gulden (Florin).

[22]aufgehäuft; zusammengebracht.

[23]ad instantiam agnatorum die publicationem prodigalitatis“: die Veröffentlichung der Verschwendung durch das Gericht (Urteil) der Blutsverwandten (Agnaten).

[24]Feldkirch (A).

[25]im Jahr.

[26]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[27]eigenhändig.

[28]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[29]hinhaltende.

[30] Johann Franz Edler von Coreth zu Starkenberg, Reichsritter, Pfandinhaber des Hofgerichtes Stubai, geheimer Rat, Kämmerer, Vizepräsident und später Präsident der Oberösterreichischen Hofkammer in Innsbruck. Vgl. Vorarlberger Landesarchiv, Gemeindearchiv Nenzing, Urkunde 3183 vom 24. Dezember 1695 und SL-HA, H 2609, Schellenberger Verwaltungskorrespondenz vom 30. August 1700.

[31]Vorgelegt.

[32] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[33]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[34]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[35]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[36] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[37] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[38]Wien (A).

[39]über.

[40] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).

 


[a]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.