Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein über verschiedene Brandstätten in Feldkirch, die nun zum Verkauf stehen. Paur entrüstet sich auch über Vaduzer Landammänner, die die Untertanen gegen das fürstliche Haus Liechtenstein aufzuwiegeln versuchen.


Durchleuchtigester fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc., etc.[1]

Ewr hochfürstlich durchlaucht geruehen sich aus dem anschluss gehorsamest referieren[2] zue lassen, auf waß für eine zuelängliche weiß denen bißherigen umgellts[3] gefährligkeiten vorzuebuegen und hierdurch daß herrschafftliche interesse[4] zue vermehren hoffe. Dises unde quaque[5] besser herfürzuebringen ist unvermeydendtlich eine aigene behausung nöthig. Weylen aber in der Gallischen[6] das abstehen nit fünde, und solliches zue eraichen gegen 2000 fl.[7] vernere pawcösten kaum erkleckhen würden, hinendtgegen aber in uno continuo[8] sich fünff brandhofstätte, deren eine ihro mayestät[9] zuegehörig, und dass zollhäußl darauf gestanden ist, fayl machen wollen, allß derffte sehr conducibl[10] sein, sich umb einige zue bewerben. Undter disen wirdt die Ruodolphische[11] pro[12] 1000 fl., die Zollhofstatt umb 5 biß 600 fl., die negst zuerückh daran gelegene aber umb 160 fl., zuesamen 1760 fl. æstimiert[13], nit zweyflendte, solliche præter propter[14] umb 1500 fl. und vileicht das Zollhaus hofstettl von ewr durchlaucht wohl gahr gratis beyzuebringen sein mechte. Die Rudolphische und Zollbrandstätte haben 3 gewölbte kellere, welliche füeglich in einem zue bringen, mithin das heylsameste abstehen deß weinverschleisses halber ipso facto[15] schon erreicht were. Ahn steinen findet man / bey dem auß- und abraumen eine unzahlige mänge und allerdings von gemeiner währ alle nothurfft, und ligen sye, brandtätte, prospectshalber[16] gegen Mittag in der Haubt- oder Markh[t]gassen, gegen nidergang aber in der Kirchgassen, etc., deß Schneiders brandtstatt ablangs zuerükh ligendt, were bloß umb das hauß ahn dreyen ohrten frey in dass licht- und ausser feursgefahr zue stellen, zue einem höfl zue applicieren[17], wie dan dißer ungeschickhte gleich bey abgang der posst gemachte endtwurff deutlicher außweißen mag.

Bey denen in münzweßen correspondierendten dreyen Crayßen[18] will man dem verlauth nach allgemächliche auf eine münzreduction antragen, waser vollget, lehret die zeith.

In der grafschafft Vaduz[19] ist der längstens underthänigste significierte wühr- oder wöhr streith de novo[20] in weith aussehendte terminis[21], derowegen nit unthumlich sein derffte, bey der kayserlichen administrations-commission deren völlige beylegeung zue recommendieren[22].

Ewr hochfürstlich durchlaucht underthanen haben noviter[23] wider 40 stükh / wöhrholz, und zwar ex debito prætendiert[24], ich aber habs abgeschlagen und neben anderen erhöblichen ursachen darumben in ihre aigene wälder verwißen, weylen sye notorie[25] die zue wühren sonsten empfangene stückh wohl thayls verkaufft, oder sonsten verderben lassen. Ewr hochfürstlich durchlaucht anbey mich underthänigst empfehlendte.

Eur hochfürstlich durchlaucht.

Veldtkhirch[26], den 5. Februarii 1700.

Underthänigster, threw gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[27], manu propria[28]. /

Post scriptum.

Durchleuchtigester, gnädigster fürst und herr, etc.

Die underthanen der grafschafft Vaduz werden von tag zu tag verkherter. In eben disem moment recensiert[29] mir ein kayserlich österreichischer beampter, wie das vorgestern der vaduzischen landamman nahmens Conrad Schreyber[30] nomine[31] deß gerichts bey ihme erschinen und zue vernemmen verlanget, ob ihro hoffnung, auch österreichisch zue werden, inane[32] oder fundiert seyen.

Wollten sollichenfahlß, umb nit liechtensteinisch zue werden, all yberiges waß sye hetten, aufsetzen, etc.

Dise in grundbodens verderbte leuth wollen und vermeinen unmöglich underthanen zue sein, und gedenckhen nit allein yber ihresgleichen, sondern noch länger die herrschafft selbsten zue dominieren. Ein anderer, und zwar allter landamman Christoph Walser[33], hat denen gemeinen leuthen auf offener gaßen ‚wohl getröstet zu sein’ zuegeruefen, nun were es ahn deme nit lichtensteinische, sondern österreichisch zue werden, etc. Dißes melde alleinig ewr hochfürstlich durchlaucht gehorsambst zue gemüth zue bringen, waß für eine arth der leuth dieser landen seyen, […][a] /

[Rubrum]

Præstentatum[34], den 19. Februarii 1700.

Schellenbergischer verwalter in puncto einrichtung das umgelt und einiger häußer kauff in Feltkirch.

[Adresse]

Dem durchleuchtigisten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreas, des Heyligen Römischen Reichs[35] fürssten und regiereren des hauß Liechtenstein von Nickholspurg[36], in Schlesien[37] herzogen zue Troppaw[38] und Jägerndorff[39], ritteren des Guldenen Flüßes[40], der römisch kayserlichen mayestät würckhlichen gehaimen rath und cammeren, etc., ihro durchlaucht, etc., meinem gnedigisten herren.

Wienn[41] per[42] Feldtsperg[43].[b]

Franco ½

 


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[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2]vortragen.

[3] Steuer (besonders auf Getränke). 

[4]Anteil.

[5]woher immer.

[6]Das sogenannte „Gallische Haus“ bezieht sich mögl. auf das ehemalige St. Gallische Amtshaus in der Neustadt Nr. 8 in Feldkirch. In diesem war früher die Finanzverwaltung der Benediktinerabtei St. Johann im Thurtal, die seit 1555 dem Stift St. Gallen inkorporiert war, untergebracht. Vgl. Andreas Ulmer, Alte Baudenkmäler und geschichtlich bemerkenswerte Häuser in Feldkirch, Feldkirch 1948, S. 49.

[7]fl. = Gulden (Florin).

[8]in einem fort.

[9]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[10]zuträglich.

[11]Das sogenannte „Rudolph’ische Haus“ bezieht sich mögl. auf das obere Haus in der Neustadt Nr. 12, welches früher dem Churer Domkapitel gehörte. Dieses Gebäude war eine Schenkung von Graf Rudolf IV. von Montfort-Feldkirch (gest. 1390) und diente dem Domkapitel als Amts- und Verwaltungsgebäude. Vgl. Andreas Ulmer, Alte Baudenkmäler und geschichtlich bemerkenswerte Häuser in Feldkirch, Feldkirch 1948, S. 49

[12]für.

[13]geschätzt.

[14]ungefähr.

[15]von selbst; durch die Tat selbst.

[16]von der Aussicht [Ansicht] her.

[17]hinzuzufügen.

[18]Mögl. der Schwäbische mit dem Fränkischen und Bayrischen Reichskreis. Vgl. Winfried Dotzauer, Die deutschen Reichskreise (1383–1806): Geschichte und Aktenedition, Stuttgart 1998, S. 451.

[19]Vaduz (FL).

[20]aufs neue.

[21]Enden; Ziele.

[22]empfehlen.

[23]neuerlich.

[24]ex debito prætendiert“: aus Schuldigkeit beansprucht. 

[25]bekanntermaßen.

[26]Feldkirch (A).

[27]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[28]eigenhändig.

[29]erzählt.

[30] Johann Konrad Schreiber, erw. als Landeshauptmann 1696, als Landammann 1701. Vgl. Hans Stricker (Leitung), Toni Banzer Herbert Hilbe (Bearbeiter), Liechtensteiner Namenbuch (LNB). Die Personennamen des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 4, Vaduz 2008, S. 280.

[31]im Namen.

[32]hohl.

[33]Christoph Walser (1651–1738), Landammann von Schaan, zw. 1690 und 1696 mehrmals als Landammann der Grafschaft Vaduz erw., Vgl. Rupert Tiefenthaler, Christoph Walser, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 2, S. 1038.

[34]Vorgelegt.

[35] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[36]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[37]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[38]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[39] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[40] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[41]Wien (A).

[42]nach.

[43] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).

 


[a]Dem Brief beigelegt befindet sich ein Plan über die Brandstätten in Feldkirch.

[b]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.