Johann Franz Paur [Bauer] schreibt dem fürst-liechtensteinischen Großmeister der Finanzen, Georg Anton Fellner, dass das für ihn festgesetzte Gehalt, das teilweise in Naturalien bezahlt wird, nicht ausreichen kann.


Hochedler, gestreng und hochgelehrter, insonders grossgünstiger, hochgeehrter herr, werthester patron, etc.[1]

In hoffnung, mein werthester patron dises abeylendte jahr vergnüeglich hingelegt haben werden, komme ich zue dem angehendten newen, newes glickh auch himmlisch und irdische felicitäten zue apprecieren[2], mir aber dessen fürwehrendte patronance gehorsamst anzubetten.

Waß für ein fatum wo der den Schwäbischen Reichscrays[3] und dessen freyheit aufm amboß seye, werden vermuthlich ihro durchlaucht, unßer gnädigster fürst und herr[4], schon wißen, derowegen die feder darvon abziehe und von sollichem ut maximo arduo abstrahiere[5], etc., etc., etc., etc.

Sonsten hat mich mein werthester patron unter dem 30. Octobris negsthin versicheret, wie daß die instruction vollgen würde, und daß von mir communicierte[6] ehemahlige deputat[7] nebst dem salario[8] gnädigst placidiert[9] worden were. Ich befinde aber in dem mundo[10] das contrarium[11] und daß statt deren in vormahliger bestallungen gehabter und sub dato[12] 31. Januarii und 19. Junii fideliter[13] außgeworffener 16 claffter hew und 96 viertel haber, auf 1 pferd und 2 s. v.[14] küe nur 90 viertel haber und (quod summa est[15]) hew und gestrew 10 claffter angewißen. Ob nun per errorem[16] die selbsten in beeden possten für ein nulla ahnge- / sehen, oder waß sonsten für eine meinung dabey gemacht worden, und wie der sach abzuehelffen seye, ist mir so unbekhandt, allß hingegen meines hochgeehrtesten herrn patronen ersprüeßlicher rath nothwendig. Für interessiert[17] mechte ich mich nit gehrn ansehen laßen, und hingegen ist simpliciter[18] unmöglich, ein pferd (deme in 24 stunden nit mehr alß 8 leichte pfund zuekomen) undter 6 claffter außzuebringen, zue geschweigen waß deme s. v. küen, deren jede unvermeydendtlich 5 claffter haben mueß, von denen angesetzten 10 claffter hew und strew yberig pleiben würde. Mit deß gantzen landts zeügnuß, daß nemlichen auf 1 pferd und 2 s. v. küe mit exclusion[19] der strewen 16 claffter hew erforderet werden, ist mir von ehemahliger gnädigster administrations herrschafft erwentes hew-quantum determiniert[20] worden. Sollten dan ihro hochfürstlich durchlaucht, wie mich daß werthe vom 30. Octobris nit glauben lasset, ein anderes gnädigst resolviert[21] haben, müsste ich pro interim[22] gleichwohlen ohne vieh sein. Ich erwarthe aber in disem passu meines hochwerthesten herrn patronen räthlichen einschlag. Wegen Vaduz[23] / hat man so vill rödens, das mich nimmermehr darin zue finden wais. Wan indessen etwaß zueverlösiges bekandt ist, bette umb beliebigen prægourt[24], mit schenster meiner empfehlung verpleibendte.

Meines gestrengen, hochgeehrten herrn und werthesten patronen.

Feldtkirch[25], den 7. Decembris 1699.

Gantz gehorsamer diener.

Paur[26], manu propria[27]. /

[Adresse]

Monsieur, monsieur George Antoine Felner, conseiller et grand maîrtre des finances de son altesse sérénissime[28] le prince Adam de Lichtenstein a Vienne[29].[a]

 


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[1] Georg Anton Fellner war Finanzmeister des Fürsten Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein. Vorläufig kein Nachweis.

[2]anzurufen; wünschen.

[3] Der Schwäbische Kreis war einer von 10 Reichskreisen des Heiligen Römischen Reichs, zu dem auch die Graf- und Herrschaften Vaduz und Schellenberg gehörten. Vgl. Winfried Dotzauer, die deutschen Reichskreise (1383–1806). Geschichte und Aktenedition, Stuttgart 1998.

[4] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[5]„ut maximo arduo abstrahiere“: so die größte Schwierigkeit weglasse. 

[6]mitgeteilten.

[7]Abgabe.

[8]Gehalt.

[9]genehmigt.

[10]Reinschrift. Vgl. Karl E. Demandt, Laterculus Notarum. Lateinisch-deutsche Interpretationshilfe für spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Archivalien (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 7, 1998), S. 164.

[11]Gegenteil.

[12]inter dem Datum.

[13]verlässlich.

[14]Salva venia = mit Erlaubnis. Vgl. Demandt, S. 259.

[15]was bedeutet.

[16]wegen einem Fehler.

[17]gewinnsüchtig.

[18]einfach.

[19]Ausschließung.

[20]festgelegt.

[21]beschlossen.

[22]für die Zwischenzeit.

[23]Vaduz (FL).

[24]Vorzeichen; Vorboten.

[25]Feldkirch (A).

[26]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[27]eigenhändig.

[28]An Herrn, Herrn Georg Anton Fellner, Rat und Großmeister der Finanzen von seiner Durchlaucht dem Fürsten Adam von Liechtenstein nach Wien. 

[29]Wien (A).

 


[a]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.