Johann Franz Bauer berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein über die Möglichkeit, die Herrschaft Neuburg zu kaufen.


Buchhorn 1699 Februar 14

Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein von der Möglichkeit, die Herrschaft Neuburg zu kaufen.[1]

Durchleuchtigester fürst.

Gnedigedter fürst und herr, herr, etc., etc.

Ewr hochfürstlich durchlaucht referiere[2] ich underthenigst, daß deß herrn abbten[3] zue Kempten[4], hochfürstlich gnaden, zweyter subdelegatus[5] unpäßlich worden. Nach dessen verhoffendter baldiger reconvalescence[6] aber hochgedachte seine hochfürstlich gnaden mir den tag der yberlassung der herrschafft[7] gnedigst denominieren[8] werden, welliches nun ehestens erwarthe und den verneren verlauff sogleich uneingestellt underthenigst berichte.

Gegenwertiglich bezüche ich mich auf daßjenige, waß der instructions-puncten und der wohnung halber unter dem 7. labentis[9] zue ewr hochfürstlich durchlaucht gnedigster consideration[10] außgestellt, indeme bey accrescierung[11] der grafschafft Vaduz[12] sowohl eines, alß den anderen membri[13] wegen die bey Schellenberg befindtliche rationes[14] vil alterieren[15] würden. Hie obige wellth ist beglaubt, jenes habe seine endtliche richtigkeit, wellichenfahlß nicht zweyfle, / ewr hochfürstlich durchlaucht auf solle bedingliche und dem schloss Vaduz immediate, et vi fideicommissi, ni fallar, afficierte mobilia[16] in und außer deß sogenanten zeughauses gnedigst werden haben reflectieren[17] lassen.

Deme zuenegst spargiert[18] man, ewr hochfürstlich durchlaucht weren gnädigst intentioniert[19], ein und andere negst angelegene oberösterreichische pfandtschafften auß und ahn sich zue leßen. Wan deme allso, wollte ohne underthenigste masgebung den fingerzeig zue erst auf die herrschafft Neuburg[20] geben. Dise ertragt das interesse[21] von 23.000 fl.[22] Sye sollen aber in ducaten, und den jeden alleinig a 2 fl. 24 = oder 36 x.[23] gerechnet von (titel) denn herren grafen von Claris an die pfandschafft ausgezehlt worden sein, welliche deß innhabers hochgräflich excellenz zue Ynsprugg[24] sich williglich ableßen zue lassen, und die pfandtschafft hingegen abzutretten bedacht sein sollen, quo posito[25] nit schwer / sein sollte, das schlößl Udelberg[26] cum appertinentiis[27] mittels der zeith umb ein geringes zue erkauffen, in confinibus[28] eine laindwandfabric und weberschafft zue inroducieren[29] und den erwünschlichesten situm[30] zue einer blaichen zue gebrauchen etc. Mit diser einfelltigen eventual crisi[31] anbey zue fürstlichen höchsten hulden und gnaden mich underthenigst empfehlendte.

Eur hochfürstlich durchleucht.

Buchhorn[32], den 14. Februarii 1699.

Underthenigst, gethrew, gehorsamster diener.

Johann Frantz Paur[33], manu propria[34]. /

 

Post Scriptum.

Unseren gnädigen grues zuevor, hochgelehrter lieber bruder, etc.

Wür haben auß deßen unterm 30. passato[35] ahn unß auß erlaßenem schreyben gehrn vernommen, daß von deß fürsten zue Lichtenstein, liebden[36], demselben die verwalthung der nun mehr käufflich erworbener herrschafft Schellenberg anverthrawet und zuegleich die commission aufgetragen worden, ersagte herrschaft Schellenberg auß unßeren alß bißherigen kayserlichen administrations commisarii handen per immissionem[37] zue ybernemmen. Wie wür nun nit ermanglen werden, allerforderist kayserlichen allergnädigsten befelch gemäß gegen denen creditoribus[38] mit außzahlung der gellter behörige richtigkeit pflegen zue lassen, sobald wür nur die wechßel yber Augspurg[39] remittierte[40] gellter zue handen bekhommen, also solle auch hoc prævio[41], die immission so vill möglich beförderet werden, den aigendtlichen tag aber könden wür der ursachen noch nit bestimmen, dieweylen unßer cammerdirector allß bißheriger mitsubdelegatus sich etwas unpässlich befindet und biß zue dessen reconvalescenz wegen in sachen habendter bester information zuezuewarthen sein will, nach wellicher wür den tag zur immission zeitlich notificieren[42] lassen wollen. Immittelß demselben zue erweysung gnädigen willens wohl affectioniert[43] verpleibet zu unserer residenz und stüfft Kempten, den 4. Februarii 1699.

Desselben.

Dem hochgelehrten unseren lieben und besondern Johann Franz Pauren.

Wol affectionester

Rupert, abbt. /

[Dorsalvermerk]

Copia schreibens von deß herren abbten zu Kempten, hochfürstlich gnaden, ahn mich, den hochfürstlich lichtensteinischen verwalthern der herrschafft Schellenberg, Johann Franz Pauren.

De dato 4. Februarii 1699. /

[Rubrum]

Præsentatum[44], den 22. Februarii 1699. Paur.

______________

[1] AT SL-HA 2609, unfol., 1699 Februar 14
[2] berichte.
[3] Rupert von Bodman (1646–1728) war von 1678 bis 1728 Fürstabt von Kempten und ab 1681 kaiserlicher Verwalter von Vaduz und Schellenberg. Vgl. Otto Seger, Rupert von Bodman, Fürstabt von Kempten, in seinem Wirken für unser Land. In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1978; Paul Vogt, Der 18. Januar 1699 – Wendepunkt in unserer Geschichte? In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1999.
[4]Fürststift Kempten in Kempten (D).
[5] Abgeordneter; Gesandter.
[6] Erholung.
[7] Schellenberg (FL).
[8] benennen.
[9] vergangenen; 7. Februar.
[10] Überlegung.
[11] dazukommen.
[12] Vaduz (FL).
[13] Glied.
[14] Berechnungen; Überlegungen.
[15] verändern.
[16]immediate, et vi fideicommissi, ni fallar, afficierte mobilia“ : unmittelbare und dem Fideikommiss, damit nicht betrogen wird, zugehörige, bewegliche Güter.
[17] überlegen.
[18] streut man aus [Gerüchte].
[19] Absicht haben.
[20] Mögl. Neuburg, Ortsteil von Koblach in Vorarlberg (A).
[21] Nutzen; Zinsen.
[22] fl. = Gulden (Florin).
[23] x. (kr.) = Kreuzer.
[24] Innsbruck (A).
[25] was festzustellen.
[26] Mögl. handelt es sich hier um das Jonas Schlössle in Götzis in Vorarlberg, das von der Familie Jonas von Buch und Udelberg erbaut worden ist. Vgl. Götzner Heimatbuch, 1. Teil, Selbstverlag der Marktgemeinde Götzis 1988, S. 188.
[27] mit Zugehörungen.
[28] in der Nachbarschaft.
[29] dazuzunehmen.
[30] Standort; Sitz.
[31] möglichen Ortsangabe.
[32]Buchhorn war eine mittelalterliche Freie Reichsstadt am Bodensee, aus deren Zusammenschluss mit dem Kloster Hofen im Jahre 1811 die Stadt Friedrichshafen als württembergischer Bodenseehafen entstand.
[33]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1701 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, In: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.
[34] eigenhändig.
[35] vergangenen Monat.
[36]Liebden = schriftliche und mündliche Anrede unter Fürsten (hohen Adeligen).
[37] durch gerichtliche Einweisung.
[38] Gläubigern.
[39] Augsburg (D).
[40] zurückgeschickte.
[41] dieses vorausgehen.
[42] bekanntmachen.
[43] zugetan.
[44] vorgelegt.