Handelsvertrag zwischen Österreich, zugleich in Vertretung des Fürstentums Liechtenstein, und der Schweiz


Handelsvertrag zwischen Seiner kaiserlichen und königlichen Apostolischen Majestät, zugleich in Vertretung des souveränen Fürstenthums Liechtenstein einerseits, und der schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits[1]

vom 14. Juli 1868[2]

Wir Franz Joseph der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich, König von Böhmen usw. und Apostolischer König von Ungarn, thun kund und bekennen hiemit:

Nachdem zwischen Unserem – zugleich in Vertretung des souveränen Fürsten zu Liech­tenstein handelnden – Bevollmächtigten einerseits, und dem von dem Bundesrathe der schweizerischen Eidgenossenschaft hiezu ernannten Bevollmächtigten andererseits, zum Zwecke einer umfassenden Regelung der Handelsbeziehungen zwischen den beiderseitigen Gebieten am 14. Juli 1868 in Wien ein aus sieben Artikeln nebst Anlage A bestehender Ver­trag abgeschlossen und unterzeichnet worden ist, welcher also lautet:

Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, König von Böhmen usw. Apostolischer Kö­nig von Ungarn auf der einen Seite, und die schweizerische Eidgenossenschaft auf der ande­ren Seite, von dem Wunsche beseelt, die zwischen ihren beiderseitigen Staaten und Besitzun­gen bestehenden Handelsbeziehungen wechselseitig zu erleichtern und auszudehnen, haben beschlossen, einen Vertrag zu diesem Zwecke einzugehen, und haben zu Ihren Bevollmäch­tigten ernannt, nämlich:

Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, König von Böhmen usw. und Apostolischer König von Ungarn:      
            den Herrn Friedrich Ferdinand Freiherrn von Beust, Allerhöchstihren geheimen Rath, Reichskanzler und Minister des Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten, Grosskreuz des St. Stephan- und des Leopold-Ordens; und        

der schweizerische Bundesrath: 
            den Herrn Dr. Johann Jacob von Tschudi, seinen Geschäftsträger;       

welche nach gegenseitiger Mittheilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten die nachstehenden Artikel vereinbart und abgeschlossen haben:

Artikel I.

Die beiden vertragenden Theile geben sich die Zusicherung, in Beziehung auf Eingangs- und Ausgangsabgaben sich wechselseitig auf dem Fusse der meistbegünstigten Nation zu behandeln.

Jeder der beiden Theile verpflichtet sich demgemäss, jede Begünstigung, jedes Vorrecht und jede Ermässigung, welche er in den gedachten Beziehungen einer dritten Macht bereits zugestanden hat, oder in der Folge zugestehen wird, gleichmässig auch dem anderen vertra­genden Theile gegenüber ohne irgend welche Gegenleistung in Kraft treten zu lassen.

Ausgenommen hievon sind:

solche Begünstigungen, welche lediglich zur Erleichterung des Gränzverkehres ande­ren Nachbarstaaten gegenwärtig zugestanden sind, oder künftig zugestanden werden könnten, sowie jene Zollermässigungen oder Zollbefreiungen, welche nur für gewisse Gränzen oder für die Bewohner einzelner Besitztheile Geltung haben;

diejenigen Begünstigungen, welche die mit Einem der vertragenden Theile jetzt oder künftig vollständig zollvereinten Staaten geniessen.

Die vertragenden Theile machen sich ferner verbindlich, den gegenseitigen Verkehr zwi­schen Ihren Landen durch keinerlei Einfuhr-, Ausfuhr- oder Durchfuhrverbote zu hem­men. Ausnahmen hievon dürfen nur stattfinden:

bei den Staatsmonopolen (Tabak, Salz, Schiesspulver);

aus Gesundheitspolizei-Rücksichten;

in Beziehung auf Kriegsbedürfnisse unter ausserordentlichen Umständen.

Artikel II.

Die aus Einem der beiden Gebiete eingehenden oder nach demselben ausgehenden Waaren aller Art sollen gegenseitig in den anderen Gebieten von jeder Durchgangsabgabe befreit sein.

In Bezug auf die Durchfuhr sichern sich die vertragenden Theile in jeder Beziehung die Behandlung der am meisten begünstigten Nation zu.

Artikel III.

Zur Erleichterung des gränznachbarlichen Verkehres sind unter den vertragenden Thei­len besondere Bestimmungen vereinbart worden, welche sich in der Anlage A dem gegen­wärtigen Vertrage angeschlossen finden und ganz so angesehen werden, als wenn sie in die­sem selbst aufgenommen wären.

Artikel IV.

Die aus dem einen Zollgebiete in das andere eingeführten Waaren jeder Art sollen keinen höheren inneren oder Verbrauchssteuern (für Rechnung des Staates, der Länder, Cantone oder Gemeinden) unterworfen werden, als denjenigen, welche die gleichartigen Waaren ein­heimischer Erzeugung treffen oder noch treffen können; - mit Vorbehalt der Bestimmung des nachfolgenden Artikels.

Artikel V.

Der im vorangehenden Artikel enthaltene Grundsatz findet keine Anwendung auf die in einzelnen Cantonen der Schweiz von Getränken bezogenen Verbrauchssteuern.

Indessen verpflichtet sich die schweizerische Eidgenossenschaft dahin, dass derartige Gebühren von Getränken aus den beiden Staatsgebieten Seiner kaiserlichen und königlich-Apostolischen Majestät nicht neu eingeführt, noch bestehende über die dermaligen Ansätze hinaus erhöht werden, und dass, falls ein Canton die betreffende Gebühr für schweizerische Erzeugnisse herabsetzen würde, diese Ermässigung im gleichen Verhältnisse auf die Erzeug­nisse aus den beiden Staatsgebieten Seiner kaiserlichen und königlich-Apostolischen Majestät angewendet werde.

Für österreichische, auch ungarische Weine, welche in Fässern (auch Doppelfässern) nach der Schweiz eingehen, sollen, welches auch der Preis oder die Qualität derselben sei, die zu entrichtenden Gebühren das Minimum derjenigen Ansätze nicht übersteigen, welche für ausländische, in einfachen Fässern eingeführte Weine in dem betreffenden Cantone erhoben werden.

Artikel VI.

Kaufleute, Fabrikanten und andere Gewerbetreibende, welche sich darüber ausweisen, dass sie in ihrem Lande die gesetzlichen Abgaben entrichten, können, wenn sie für das von ihnen betriebene Geschäft persönlich oder durch ihre Reisenden Einkäufe machen, und – mit oder ohne Muster – Bestellungen suchen, dafür in den Gebieten des anderen vertragen­den Theiles keiner weiteren Abgabe unterliegen.

Auch sollen beim Besuche der Märkte und Messen zur Ausübung des Handels und zum Absatz eigener Erzeugnisse oder Fabrikate in jedem der vertragenden Theile die beiderseiti­gen Staatsangehörigen wie die eigenen behandelt werden.

Artikel VII.

Der gegenwärtige Vertrag soll einen Monat nach dem Austausche der Ratifications-Urkunden in Kraft treten und während eines Zeitraumes von acht Jahren in Kraft bleiben.

Im Falle keiner der vertragenden Theile zwölf Monate vor dem Ablaufe des gedachten Zeitraumes seine Absicht, die Wirksamkeit des Vertrages aufhören zu lassen, kundgegeben haben wird, so bleibt derselbe in Geltung bis zum Ablaufe eines Jahres von dem Tage ab, an welchem der eine oder der andere der vertragenden Theile denselben gekündigt haben wird.

Die vertragenden Theile behalten sich die Befugniss vor, nach gemeinsamer Verständi­gung in diesen Vertrag Abänderungen jeder Art aufzunehmen, welche mit dem Geiste und den Grundlagen desselben nicht im Widerspruche stehen, und deren Nützlichkeit durch die Erfahrung dargethan wird.

Gegenwärtiger Vertrag soll ratificirt und es sollen die Ratifications-Urkunden längstens binnen fünf Monaten in Wien ausgetauscht werden.

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten denselben unterzeichnet und ihre Siegel beigedruckt.

So geschehen zu Wien, am 14. Juli 1868.

(L. S.) Beust m. p.         (L. S.) v. Tschudi m. p.

 

 

Anlage A

zum Artikel III.

Um dem Handel der betreffenden Gränzbezirke jene Erleichterung zu gewähren, welche die Bedürfnisse des täglichen Verkehres erfordern, sind die hohen contrahirenden Theile übereingekommen, wie folgt:

Sowohl von dem Einfuhr- als von dem Ausfuhrzolle sind im Verkehre über die öster­reichisch-schweizerische Gränze in beiden Staaten befreit:

alle Waarenmengen, für welche die Gesammtsumme der einzuhebenden Gebühren weniger als fünf Rappen oder beziehungsweise Ein drei Viertel Kreuzer österreichi­scher Währung beträgt;

Gras, Heu, Stroh, Streu, Moos zum Einpacken und Kalfatern[3], Futterkräuter, Binsen und gemeines Rohr, Pflanzen lebende (Setzlinge und Senker von Weinreben), Getreide in Aehren und Hülsenfrüchte in Stroh, ungebrochener Flachs und Hanf, frisches Obst (auch frische Weintrauben) und Erdäpfel;

thierisches Blut;

Eier jeder Art;

Milch, auch geronnene (Topfen);

Holzkohlen, Steinkohlen, Torf und Torfkohlen;

Bau-, Bruch-, Pflaster- und natürliche Mühlsteine, Schlacken, Kiesel, Sand, Kalk und Gyps, Mergel, Lehm und überhaupt jede Gattung von gemeiner Erde für Ziegel und Töpfe, Pfeifen und Geschirre;

Kleie, Sansa (ausgepresste, völlig trockene Olivenschalen), Oelkuchen und andere Rückstände von ausgepressten und ausgesottenen Früchten und öligen Samen;

ausgelaugte, vegetabilische und Steinkohlenasche, Dünger (auch Guano), Schlempe, Spülicht, Träber und Trester, Kehricht, Scherben von Stein- und Thonwaaren, Gold- und Silberkrätze, Schlamm;

Brot     bis einschliesslich 20 Zollpfund,

frisches Fleisch bis einschliesslich 8 Zollpfund,

Käse     bis einschliesslich 4 Zollpfund,

frische Butter    bis einschliesslich 4 Zollpfund,

Ferner wird Befreiung von Ein- und Ausfuhrzöllen, sowie freier Verkehr ausser den Zollstrassen zugestanden:   
            Für Arbeitsvieh, für Ackerbauwerkzeuge, dann für Geräthschaften und Effecten, wel­che von den an der äussersten Gränze wohnenden Landleuten zum Behufe der Feldarbeit oder aus Anlass von Uebersiedelungen über die Zoll-Linie ein- oder ausgeführt werden.

Auch sind die Naturerzeugnisse jenes Theiles der Besitzungen der Angehörigen bei­der vertragenden Regierungen, welche durch den Zug der österreichisch-schweizerischen Gränze von den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden getrennt ist, beim Transporte in diese Wohn- und Wirtschaftsgebäude ein- und ausgangszollfrei.
            Die unter Zahl 2 und 3 zugestandenen Begünstigungen sind jedoch auf die Bewohner eines Umkreises längs der Gränze beschränkt, welcher sich in Oesterreich bis auf die Entfer­nung einer Meile von der Gränze, in der Schweiz bis auf die Entfernung von zwei Weg­stunden erstreckt.

Die beiderseitigen Regierungen werden sich über Massregeln verständigen, gegen deren Beobachtung in gewissen Gegenden, wo dies nothwendig befunden wird, solchen Gegenständen, welche in den beiderseitigen Staatsgebieten, sowohl in der Ein- als Ausfuhr zollfrei sind, der Gränzübertritt ausser den Zollstrassen gestattet werden kann.

Gegen Verpflichtung der Rückfuhr und unter Beobachtung der Zollvorschriften, welche die beiderseitigen Regierungen im gemeinsamen Einverständnisse festzustellen für gut finden werden, wird die zeitweilig vollständig zollfreie Ein- und Ausfuhr zugestanden:

für Waaren (mit Ausnahme von Verzehrungsgegenständen), welche aus dem freien Verkehre in den Gebieten des einen der vertragenden Theile in die Gebiete des anderen auf Messen oder Märkte gebracht, oder welche unabhängig von Mess- und Marktverkehre in die Gebiete des anderen Theiles versendet werden, um in zoll­ämtlichen Niederlagen (Entrepôts, Hallämtern etc.) gelagert zu werden, sowie für Muster, welche von Handelsreisenden eingebracht werden, alle diese Gegenstände, wenn sie binnen einer im voraus zu bestimmenden Frist unverkauft zurückgeführt werden;

für Vieh, welches auf Märkte oder auf Weiden getrieben wird;

für Glocken und Lettern zum Umgiessen, Stroh zum Flechten, Wachs zum Blei­chen, Seidenabfälle zum Hecheln (Kämmen), wobei jedoch an der Gewichtsmenge mit Rücksicht auf den natürlichen oder gesetzlichen Verarbeitungsschwund festge­halten werden muss;

Holz, Lohe (Rinde), Oelsamen, Hanf, Lein und andere dergleichen landwirthschaftli­che Gegenstände, welche zum Schneiden, Stampfen, Reiben usw. aus dem einen Zollgebiet in das andere gebracht und geschnitten, gestampft, gerie­ben usw. in das erste Zollgebiet zurückgeführt werden.

Auf sämmtlichen Rheinfähren wird der Personenverkehr derart erweitert, dass die Ueberfahrt eine Stunde vor dem ersten Bahnzuge eröffnet und eine Stunde nach dem letzten Bahnzuge geschlossen wird.

Es wird der Transit von Vieh und Waaren aus der Schweiz durch Oesterreich nach Samnaun, gleichwie aus Oesterreich durch die Schweiz über Samnaun nach Patznaun, und beiderseits in umgekehrter Richtung gestattet.

Die Nebenzollämter Taufers, Martinsbruck, Spitzermühl und Ischgl werden zur Tran­sit-Abfertigung für alle Waaren, sowie für Vieh, ermächtigt.

Der Verkehr zwischen dem Münsterthale und dem Unterengadin durch das Avig­nathal wird für Waaren und Vieh gestattet.

Das k. k. Zollamt Martinsbruck wird zur Rückvergütung der tirolischen Consumo-Steuer bei Waaren, die bei diesem Zollamte zur Wiederausfuhr gelangen, ermächtigt.

So haben Wir, nach Prüfung sämmtlicher Bestimmungen dieses Vertrages, denselben gutgeheissen und genehmigt, und versprechen auch mit Unserem Kaiserlichen und König­lichen Worte, für Uns und Unsere Nachfolger, denselben seinem ganzen Inhalte nach getreu zu beobachten und beobachten zu lassen.

Zu dessen Bestätigung haben Wir die gegenwärtige Urkunde eigenhändig unterzeichnet, und selber Unser Kaiserliches und Königliches Insiegel beidrucken lassen.

So geschehen in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien am zwanzigsten des Monates December, im Jahre des Heiles 1868, Unserer Reiche im ein- und zwanzigsten.

Franz Joseph m. p.

 

Graf Beust m. p.

 

Im Auftrage Seiner kaiserlichen und königlichen Apostolischen Majestät:

Maximilian Freiherr von Sagern m. p.   
k. & k. Hof- und Ministerrath.

 

Schluss-Protokoll.

Bei der Unterzeichnung des Handelsvertrages, welcher am heutigen Tage zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und der schweizerischen Eidgenossenschaft abge­schlossen wurde, haben sich die unterzeichneten Bevollmächtigten über nachstehende Vor­behalte, Erklärungen und Abmachungen geeinigt, welche zu Protokoll gegeben wurden und einen Theil des Vertrages selbst bilden sollen.

Der Bevollmächtigte Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich und Apostolischen Königs von Ungarn erklärt, dass, entsprechend dem Artikel 13 des österreichisch-liechten­steinischen Zoll- und Steuervereins-Vertrages vom 23. December 1863, der am heutigen Tage abgeschlossene Handelsvertrag auch auf das genannte Fürstenthum Anwendung finde.

Der schweizerische Bevollmächtigte nimmt von dieser Erklärung Kenntniss.

Zum Artikel III des Vertrages

Man ist darüber einverstanden, dass die zur Zeit des Abschlusses dieses Vertrages factisch bestehenden Zoll- und Verkehrserleichterungen längs der beiderseitigen Gränzen während der Dauer dieses Vertrages unter den bestehenden Bedingungen aufrecht erhalten und mög­lichst ausgedehnt werden.

Zum Artikel III des Vertrages, beziehungsweise Anlage A, Nr. 5

Man ist übereingekommen, dass die Verständigung über die Bedingungen und Förmlich­keiten, unter denen die Verkehrserleichterungen eintreten, durch directe Correspondenz zwischen den beiderseitigen Regierungen hergestellt werde; es sollen dabei die nachstehen­den Grundsätze leitend sein.

Die Gegenstände, für welche eine Zollbefreiung in Anspruch angenommen wird, müssen bei den Zollstellen nach Gattung und Menge angemeldet und zur Revision gestellt werden.

Die Abfertigung der ausgeführten und wieder eingeführten, beziehungsweise einge­führten und wieder ausgeführten Gegenstände muss bei denselben Zallstellen erfolgen, mögen diese an der Gränze oder im Innern sich befinden.

Es kann die Wiederausfuhr und Wiedereinfuhr an die Beobachtung angemessener Fristen geknüpft und die Erhebung der gesetzlichen Abgaben dann verfügt werden, wenn diese Fristen unbeachtet bleiben.

Es ist gestattet, eine Sicherung der Abgaben durch Hinterlegung des Betrages dersel­ben oder in anderer entsprechender Weise zu verlangen.

Gewichts-Differenzen, welche durch Reparaturen oder durch die Bearbeitung der Gegenstände entstehen, sollen in billiger Weise berücksichtigt werden, und geringe Differen­zen eine Abgabenentrichtung nicht zur Folge haben.

Es wird beiderseits für eine möglichst erleichterte Zollabfertigung Sorge getragen werden.

Jede der vertragenden Regierungen bestimmt für ihr Gebiet diejenigen Aemter, welche befugt sind, die von Handlungsreisenden als Muster eingebrachten zollpflichtigen Gegenstände bei der Ein- und Ausfuhr abzufertigen.

Die Wiederausfuhr darf auch über ein anderes Amt, als dasjenige, über welches die Ein­fuhr geschah, erfolgen.

Bei der Einfuhr ist der Betrag des auf den Mustern haftenden Eingangszolles zu ermitteln und von dem Handlungsreisenden bei dem abfertigenden Amte entweder bar niederzulegen oder vollständig sicherzustellen.

Zum Zwecke der Festhaltung der Identität sind die einzelnen Musterstücke, soweit es angeht, durch aufgedruckte Stämpel oder durch angehängte Bleie oder Siegel in der entspre­chenden Weise kostenfrei zu bezeichnen.

Das Abfertigungspapier, über welches die näheren Anordnungen von jeder der vertra­genden Regierungen ergehen werden, soll enthalten:

ein Verzeichniss der eingebrachten Musterstücke, in welchem die Gattung der Waare und solche Merkmale sich angegeben finden, die zur Festhaltung der Identität geeig­net sind;

die Angabe des auf den Mustern haftenden Eingangszolles, sowie die Angabe, ob der­selbe bar erlegt oder sichergestellt worden ist;

die Angabe über die Art der Bezeichnung;

die Bestimmung der Frist, nach deren Ablauf, soweit nicht vorher die Wiederausfuhr der Muster nach dem Auslande oder deren Niederlegung in einem Packhofe nach­gewiesen wird, der erlegte Einfuhrzoll verrechnet oder aus der bestellten Sicherheit eingezogen werden soll. Diese Frist darf den Zeitraum eines Jahres nicht über­schreiten.

Werden vor Ablauf der gestellten Frist (d) die Muster einem zur Ertheilung der Abferti­gung befugten Amte zum Zwecke der Wiederausfuhr oder der Niederlegung in einem Packhofe vorgeführt, so hat sich dieses Amt davon zu überzeugen, ob ihm dieselben Gegen­stände vorgeführt wurden, welche bei der Eingangsabfertigung vorlagen.

Soweit in dieser Beziehung keine Bedenken entstehen, bescheinigt das Amt die Ausfuhr oder Niederlegung und erstattet den bei der Einbringung erlegten Eingangszoll zurück, oder trifft wegen Freigabe der bestellten Sicherheit die erforderliche Einleitung.

Zum Artikel V des Vertrages.

Hinsichtlich der von den einzelnen Cantonen bezogenen Verzehrungssteuer von Geträn­ken gelten die in der Anlage F zum Handels- und Zollvertrage zwischen der Schweiz und Frankreich vom 30. Juni 1864 aufgeführten Angaben.

Zum Artikel VI des Vertrages.

Um der Steuerfreiheit theilhaftig zu werden, müssen die schweizerischen Handlungs­reisenden mit einer dem anliegenden Muster I entsprechenden Legitimations­urkunde und die Handlungsreisenden aus beiden Staatsgebieten Seiner kaiserlichen und königlich-Apostolischen Majestät mit einer Gewerbe-Legitimationskarte versehen sein, wel­che nach dem anliegenden Muster II auszustellen ist.

Diese Bescheinigungen sind während des Kalenderjahres giltig, für welches sie ausgestellt sind. Sie müssen die Personalbeschreibung und die Unterschrift des Inhabers enthalten und mit dem Siegel oder Stämpel der Behörde, von welcher sie ausgestellt sind, versehen sein.

Gegen Vorzeigung dieser Bescheinigung erhalten die Handlungsreisenden, nachdem ihre Identität anerkannt ist, von der zuständigen Behörde einen nach den beiliegenden Mustern A und B ausgestellten Gewerbeschein.

Die Gewerbetreibenden und ihre Handlungsreisenden dürfen keine Waaren zum Ver­kaufe mit sich führen; jedoch ist ihnen gestattet, die aufgekauften Waaren nach dem Bestimmungsorte mitzunehmen.

Es werden übrigens gegenseitig nur solche Handlungsreisende abgabefrei zugelassen, welche entweder für eigene Rechnung oder für Rechnung eines Hauses, in dessen Diensten sie als Handlungscommis stehen, Geschäfte machen wollen.

Was den Mess- und Marktverkehr anlangt, so sind Angehörige des anderen vertra­genden Theiles sowohl hinsichtlich des Rechtes zum Beziehen der Messen und Märkte, als auch hinsichtlich der von dem Mess- und Marktverkehre zu entrichtenden Abgaben den eigenen Staatsangehörigen völlig gleichgestellt.

Ueber die Form der Legitimation, welche von den Staatsangehörigen des anderen Theiles, die dieser Begünstigung theilhaftig werden wollen, beizubringen ist, hat man beiderseits das Formulare III angenommen.

Gegenwärtiges Protokoll, welches, wie der Vertrag selbst und dessen Anlage in doppelter Ausfertigung aufgenommen worden ist, soll ohne besondere Ratification, durch die blosse Thatsache der Auswechslung der Ratificationen des heutigen Vertrages, auf welchen es Bezug hat, als von den betheiligten Regierungen genehmigt und bestätigt angesehen werden.

[Im RGBL 1868 Nr. 10 folgen mehrere Formulare]

Der vorstehende Handelsvertrag sammt Beilagen wird nach erfolgter Zustimmung der beiden Häuser des Reichsrathes, mit der Wirksamkeit für die in demselben vertretenen Königreiche und Länder, hiemit kundgemacht.

Wien, am 18. Jänner 1869

Taaffe m.p.       Plener m.p.       Brestel m.p.

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[1] Textwiedergabe nach dem Reichsgesetzblatt für das Kaiserthum Oesterreich, Jahrgang 1869, Nr. 10, S. 65-74.
[2] Geschlossen zu Wien am 14. Juli 1868. Von Seiner kaiserl. und königl. Apostolischen Majestät ratificirt zu Wien am 20. December 1868 und in den beiderseitigen Ratificirungen zu Wien ausgewechselt am 5. Jänner 1869.)
[3] Kalfatern: (ab)dichten, v.a. von Schiffen.