Hofdekret betr. Abänderung von § 1249 ABGB


Hofdekret[1]
[betr. Abänderung von § 1249 ABGB]
[2][3]

vom 25sten Juni 1817

an sämmtliche Appellations-Gerichte, einverständlich mit der Hofcommission in Justiz-Gesetzsachen

Die Erfahrung hat gelehrt, dass bey mehreren, vorzüglich auf dem flachen Lande errichteten Ehe-Pacten oder so genannten Heirats-Contracten, worin die Brautpersonen oder die wirklichen Ehegatten, nebst anderen Verfügungen, wie immer das Heiratsgut, die Widerlage, die Güter-Gemeinschaft u. s. w. sich zugleich die Erbfolge versichern, folglich einen Erbvertrag eingehen; dennoch nur die Erfordernisse eines Vertrages überhaupt, nicht aber die Erfordernisse eines schriftlichen Testamentes beobachtet, und dass ins besondere nicht drey, sondern höchstens zwey Zeugen beygezogen werden, wie auch dass die Vertrag schliessenden Theile in der Meinung stehen, dass durch den Erbvertrag dem überlebenden Ehegatten ohne alle nachfolgende Erklärung des letzten Willens die ganze Verlassenschaft des anderen Theiles zufalle.

Um nun diesem Irrthume und der daraus entstehenden Entkräftung der getroffenen Anordnungen wirksamer vorzubeugen, werden folgende in dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche enthaltene Vorschriften zur Belehrung ins besondere kund gemacht:

1) Ein Erbvertrag, wodurch der künftige Nachlass oder ein Theil desselben versprochen und das Versprechen angenommen wird, kann zwischen Eheleuten (§ 602) geschlossen werden (§ 1249), folglich auch zwischen Brautpersonen, dafern die Abschliessung der Ehe zwischen ihnen erfolgt.

2) Zur Gültigkeit eines solchen Vertrages ist jedoch notwendig, dass er schriftlich (entweder abgesondert oder neben andern Puncten eines Heirats-Contractes) mit allen Erfordernissen eines schriftlichen Testaments errichtet werde (§ 1249).

3) Durch den Erbvertrag kann ein Ehegatte auf das Recht zu testieren nicht gänzlich Verzicht thun. Ein reiner Viertheil, worauf weder der jemanden gebührende Pflichttheil, noch eine andere Schuld haften darf, bleibt kraft Gesetzes zur freyen letzten Anordnung immer vorbehalten. Hat der Erblasser darüber nicht verfügt, so fällt er doch nicht dem Vertrags-Erben, wenn auch die ganze Verlassenschaft versprochen worden wäre, sondern dem gesetzlichen Erben zu (§ 1253).

Ueber die übrigen, auf die Erbverträge sich beziehenden Vorschriften, so wie über die Erfordernisse eines schriftlichen Testamentes müssen die Brautpersonen oder Ehegatten, welche einen Erbvertrag schliessen, sich aus dem bürgerlichen Gesetzbuche unmittelbar selbst belehren, oder allenfalls von ihrer Obrigkeit oder andern sachverständigen Männern belehren lassen.

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[1] Textwiedergabe nach der österreichischen Justizgesetzsammlung JGS 1817, Nr. 1340, S. 442-443. Online-Version http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=jgs&datum=1013&size=45&page=526
[2]Dieser Erlass wurde im Amtlichen Sammelwerk (ASW), gestützt auf das Gesetz vom 5. Oktober 1967 über die Bereinigung der vor dem 1. Januar 1863 erlassenen Rechtsvorschriften, LGBl. 1967 Nr. 34, publiziert.
[3] § 1249 ABGB abgeändert durch LGBl. 1993 Nr. 54.