Verordnung
über das summarische Verfahren in Civilrechts-Streitigkeiten[1]
vom 5. November 1857
Se. Durchlaucht haben die mit allerhöchster Entschliessung vom 18. October 1845 für Oesterreich erschienene Verordnung über das summarische Verfahren in Civilrechts-Streitigkeiten auch in höchstihrem souveränen Fürstenthume Liechtenstein in nachstehender Weise einzuführen beschlossen, welche vom Tage der Publication in Gesetzeskraft zu treten hat.
§ 1
Rechtsstreitigkeiten über bestimmte Geldsummen, welche ohne Zinsen und andere Nebengebühren den Betrag von 200 fl. R. W. nicht übersteigen, sind bei dem Regierungsamte summarisch zu verhandeln.
§ 2
Dieselbe Vorschrift gilt für Rechtsstreitigkeiten über andere Gegenstände, wenn der Kläger anstatt derselben eine Geldsumme, welche nach obiger Berechnung 200 fl. in R. W. nicht übersteigt, anzunehmen sich ausdrücklich erbietet.
§ 3
Der Betrag der Schuld wird nach der Summe, auf deren Bezahlung in der Klage das Begehren gestellt ist, berechnet, wenn auch der Kläger oder der Beklagten mehrere sind, aber die verfallenen Beträge fortlaufender Zinsen oder Renten gefordert werden.
§ 4
Wenn der Kläger einen Theil einer 200 fl. in R. W. übersteigenden Capitalsschuld oder den Ueberschuss fordert, werden sich aus der Vergleichung mehrerer, beiden Theilen zustehenden Forderungen ergeben soll, so finden die §§ 1 und 2 gegenwärtiger Verordnung keine Anwendung.
§ 5
Eben so wenig sind dieselben auf Streitigkeiten über die Räumung oder Zurückstellung gemietheter oder gepachteter Gebäude oder Grundstücke anzuwenden.
§ 6
Durch Uebereinkommen beider Theile kann jedoch das summarische Verfahren für alle Rechtsstreitigkeiten ohne Unterschied des Gegenstandes und Betrages der Forderung gewählt werden.
§ 7
Insofern die gegenwärtige Verordnung keine nähere Bestimmung enthält, sind die über das gerichtliche Verfahren ertheilten allgemeinen Vorschriften auch im summarischen Processe zu befolgen.
§ 8
Im summarischen Verfahren steht in der Regel den streitenden Theilen frei, sich eines Advocaten zu bedienen oder nicht. Jeder Theil ist jedoch, wenn es das Gericht ausdrücklich anordnet, in Person vor demselben zu erscheinen schuldig. Auch wird dem Ermessen des Gerichtes überlassen, nach Erfordernis der Umstände die streitenden Theile über Thatsachen in Abwesenheit ihres Advocaten zu vernehmen, aber Personen, welche mit muthwilliger Erneuerung bereits verworfener Klagen und Gesuche behelligen oder sich unanständig betragen, oder einer verständlichen Aeusserung über ihre Rechtsangelegenheiten nicht fähig sind, zu entfernen und zur Verhandlung durch einen Advocaten anzuweisen. Sollen streitende Theile, die nicht im Orte des Gerichtes oder in der Nähe desselben wohnen, in Person eine Aeusserung abgeben, so ist ihre Vernehmung durch Ersuchschreiben an ein ihrem Wohnorte näheres Gericht zu bewirken.
§ 9
Personen, die durch wichtige Gründe vor Gericht zu erscheinen gehindert sind, können auch durch Bevollmächtigte, die nicht Advocaten sind, verhandeln. Diese müssen jedoch 24 Jahre alt, männlichen Geschlechtes, von dem Gegenstande des Streites vollständig unterrichtet und mit schriftlicher Vollmacht versehen sein. Bekannte Winkelschreiber sind nie als Bevollmächtigte zuzulassen.
§ 10
Die in gegenwärtiger Verordnung festgesetzten oder zufolge derselben von dem Gerichte bestimmten Fristen laufen auch an Ferialtagen ununterbrochen fort. Nur wenn der letzte Tag der Frist auf einen Sonn- oder gebotenen Feiertag fallen würde, endigt sie sich mit dem nächstfolgenden Werktage.
§ 11
Die Klage kann mündlich oder schriftlich angebracht werden.
§ 12
Will der Kläger die Klage mündlich anbringen, so hat das Gericht vor Allem in Ueberlegung zu ziehen, ob der Gerichtsstand gegründet, der Kläger sich selbst zu vertreten fähig, und, wenn er im Namen eines Dritten auftritt, zur Klage berechtigt sei. Ist in diesen Rücksichten die Klage unzulässig, so muss hierüber dem Kläger mündlich oder auf sein Verlangen durch Decret Belehrung ertheilt, und der Beschluss des Gerichtes im Amtsprotocolle angemerkt werden.
§ 13
Steht der Einleitung des Processes kein Hinderniss entgegen, so hat das Gericht die Klage zu Protocoll zu bringen, dabei dem Kläger zu einer zusammenhängenden und klaren Darstellung der Thatsachen, worauf sich die Forderung gründet, zur Unterstützung seiner Ansprüche mit den nöthigen Beweismitteln, und zu einem der Sache angemessenen, genau bestimmten Begehren die erforderliche Anleitung zu geben.
§ 14
Findet das Gericht die Klage auffallend ungegründet, so ist darüber dem Kläger angemessene Belehrung zu ertheilen, insoferne er sich aber zu freiwilliger Ablassung vom Processe nicht bewegen lässt, die Einleitung des Verfahrens nie zu verweigern.
§ 15
Ueber die Klage ist eine Tagsatzung anzuordnen, und dem Bescheide ausdrücklich beizufügen, dass bei derselben summarisch zu verhandeln sein werde. Der Kläger ist dazu durch Einhändigung eines Vorladungszettels, der Beklagte durch Zustellung einer Abschrift des Protocolls über die Klage vorzuladen. Wenn es die Beschaffenheit der Klage fordert, ist der Kläger anzuweisen, Abschriften der darin angeführten Urkunden zur Zustellung an den Beklagten zu überreichen.
§ 16
Ist die Klage schriftlich überreicht worden, so hat das Gericht entweder sogleich eine Tagsatzung zur summarischen Verhandlung der Hauptsache anzuordnen, oder wenn dagegen nach den §§ 12, 13 und 14 Bedenken eintreten sollten, vorher noch den Kläger allein zu Protocoll zu vernehmen.
§ 17
Erscheint bei der Tagfahrt der Geklagte nicht , so hat das Gericht die in der Klage angeführten Thatsachen, soweit dieselben durch die von dem Kläger vorgelegten Beweismittel nicht widerlegt werden, für wahr zu halten, und über die unter dieser Voraussetzung dem Kläger nach den Gesetzen zustehende Forderung durch Urtheil zu entscheiden. Erscheint der Kläger nicht, so wird der Beklagte über den Gegenstand der Klage vernommen, seinen Angaben über Thatsachen, sofern die vorliegenden Beweismittel dieselben nicht widerlegen, Glauben beigemessen, und nach dieser Grundlage über das Recht des Klägers erkannt.
§ 18
In beiden Fällen kann Derjenige, welcher ohne alles eigene Verschulden die Tagsatzung versäumt hat, sein Ausbleiben rechtfertigen und um Aufhebung des Urtheiles und neue Verhandlung über die Klage ansuchen. Er hat aber auch im Falle der Bewilligung dieses Begehrens seinem Gegner alle durch Verabsäumung der Tagsatzung verursachten Kosten zu ersetzen. Das Gesuch kann mündlich oder schriftlich, jedoch nur binnen einer Frist von acht Tagen angebracht werden, welche von dem Tage zu berechnen ist, an welchem das Hindernis, bei der Tagfahrt zu erscheinen, aufgehört hat, und ist nach Vernehmung des anderen Theiles durch Bescheid zu erledigen. - Bei der über das Gesuch angeordneten Tagsatzung ist, im Falle der Bewilligung desselben, sogleich die Hauptsache zu verhandeln. Eine offenbar zu spät angebrachte Rechtfertigung des Ausbleibens ist von Amtswegen zu verwerfen.
§ 19
Wird um Aufhebung der Folgen des Ausbleibens vor dem Tage der Zustellung des Urtheiles über die Hauptsache angesucht, so ist bis zur Erledigung dieses Gesuches die Ausfertigung und Zustellung des Erkenntnisses zu verschieben. Durch ein am Tage der Zustellung des Urtheiles oder später angebrachtes Gesuch wird die Execution des Erkenntnisses nicht aufgehalten.
§ 20
Erscheint als Beklagter eine Person, die sich selbst zu vertreten unfähig, oder über den Gegenstand der Klage zu verhandeln nicht berechtiget ist, so ist die Tagsatzung zu erstrecken und die Vorladung des Beklagten mit den zur Einleitung eines gesetzmässigen Verfahrens gehörigen Aufträgen zu erneuern.
§ 21
Ausser diesem Falle darf eine Erstreckung der Tagsatzung nur dann bewilliget werden, wenn der unverzüglichen zweckmässigen Verhandlung ein unüberwindliches Hindernis entgegensteht, oder beide Theile durch eigenhändig unterzeichnete schriftliche, oder in Person vor Gericht abgegebene Erklärung darum aufsuchen, oder auf gleiche Art im Falle des Ausbleibens des einen Theiles dessen Gegner auf die Erstreckung selbst anträgt. Findet das Gericht eine mündlich oder schriftlich angesuchte Erstreckung unzulässig, so hat dasselbe sogleich die Verhandlung der Hauptsache vorzunehmen, oder wenn der um die Erstreckung ansuchende Theil nicht erschienen ist, nach Vorschrift des §17 über die Klage durch Urtheil zu entscheiden.
Wer zu einer Tagsatzung die erforderlichen Urkunden nicht mitbringt, oder auf andere Art die Tagsatzung vereitelt, hat seinem Gegner die dadurch verursachten Kosten zu ersetzen.
§ 22
Bei der zur Verhandlung der Hauptsache angeordneten Tagsatzung soll das Gericht vor Allem über den Gegenstand und die Veranlassung des Streites durch Vernehmung des Beklagten nähere Aufklärung zu erhalten suchen ; sodann, wenn die Forderung des Klägers in ihrem vollen Betrage von dem Beklagten für richtig anerkannt wird, durch Urtheil auf Bezahlung erkennen ; im entgegengesetzten Falle aber einen Vergleich versuchen. Sollte nur der Streit über eine einzelne Thatsache die Ausgleichung hindern, so kann von dem Gerichte ein bedingter Vergleich vorgeschlagen werden, wodurch der Ausgang der Sache von dem Erfolge einer durch beiderseitiges Einverständnis festgesetzten Beweisführung abhängig wird.
§ 23
Kommt kein Vergleich zu Stande, so ist dieses in dem Protocolle zu bemerken, und sogleich über den Gegenstand der Klage mündlich zu verhandeln. Wollen die Parteien von dem summarischen Verfahren keinen Gebrauch machen, so steht ihnen frei, sich auf das ordentliche schriftliche Verfahren zu vereinigen. Die Erklärung hierüber muss jedoch von denselben in der Regel vor Gericht persönlich abgegeben werden ; nur wenn sie wegen Abwesenheit von dem Orte, wo dieses seinen Sitz hat oder aus einem anderen Grunde persönlich zu erscheinen verhindert wären, kann sich das Gericht mit einem eigenhändig gefertigten schriftlichen Gesuche derselben begnügen.
§ 24
Bei der mündlichen Verhandlung hat das Gericht, die streitenden Theile mögen sich eines Advocaten bedienen oder nicht, von Amtswegen für ein regelmässiges Verfahren zu sorgen, und beide Theile zu genauen, der Wahrheit getreuen Angaben über die entscheidenden Thatumstände und zur Benützung der erforderlichen Beweismittel aufzufordern. Jeder Theil ist zu einer bestimmten und klaren Aeusserung über die von seinem Gegner angeführten Thatsachen und über die Echtheit der zum Beweise derselben beigebrachten Urkunden anzuweisen und mit den Folgen der Verweigerung einer deutlichen Erklärung bekannt zu machen. Der Rechte unkundige Personen sind nöthigenfalls über die Grundsätze des gerichtlichen Verfahrens, über die Beweislast und die Art der Beweisführung zu belehren. Die Verhandlung ist so zu leiten, dass der Gegenstand des Streites von beiden Seiten vollständig erörtert, aller Zeitverlust mit offenbar nicht zur Sache dienlichen oder bereits vorgekommenen Bemerkungen und Angaben vermieden, Einrede, Replik und Duplik in gehöriger Ordnung zu Protocoll gebracht, und damit wo möglich der Process geschlossen werde. Weitere Aeusserungen und Gegenäusserungen dürfen nur, soweit es zur Aufklärung über streitige Thatsachen nöthig ist, zugelassen werden. Der Beklagte hat alle Einwendungen und Beweismittel in der Einrede, der Kläger alles zur Widerlegung der Einrede Dienliche in der Replik anzubringen. Jedem Theile muss jedoch bis zum Schlusse der Verhandlung gestattet werden, früher aus Versehen übergangene Beweismittel nachzuholen.
Auch hat das Gericht, selbst wenn es erst nach geschlossener Verhandlung wahrnimmt, dass dieselbe in was immer für einer Beziehung unvollständig geblieben sei, die wahrgenommenen Mängel vor der Entscheidung durch wiederholte Vorladung und Vernehmung der Partheien zu verbessern.
§ 25
Besondere Verhandlungen über den Gerichtsstand oder über einen Rückerlag der Klage finden nicht statt. Zeigt sich im Laufe des Prozesses die Inkompetenz des Gerichtes, so ist das Verfahren sogleich durch Bescheid mit Anführung des Grundes einzustellen. Ausser diesem Falle werden Streitigkeiten über den Gerichtsstand oder den Rückerlag mit der Hauptsache zugleich verhandelt und entschieden.
§ 26
Jeder Theil ist schuldig, von ihm angeführte Urkunden seinem Gegner auf Verlangen bei der zur Verhandlung über die Klage angeordneten Tagsatzung in Original vorzuweisen, und wenn die Echtheit derselben bestritten wird (§ 28), die Originale den Prozessakten beizulegen. Wird Eines oder das Andere verweigert, so dürfen die Urkunden der Entscheidung nicht zum Grunde gelegt werden.
§ 27
Die Echtheit einer Urkunde kann bestritten werden, wenn auch die gerichtliche Rekognition nicht angesucht worden ist.
§ 28
Die Erklärung eines streitenden Theiles über die Echtheit der von seinem Gegner angeführten Urkunden ist mit der Verhandlung der Hauptsache zu verbinden. Hat Derjenige, gegen welchen eine Urkunde angeführt worden ist, nicht im rechtlichen Verfahren am gehörigen Orte ausdrücklich erklärt, dass das Original unecht, oder die beigebrachte Abschrift unrichtig sei, so ist das Original für echt und die Abschrift für richtig zu halten.
§ 29
Befinden sich Originale der angeführten Urkunden, oder zur Vergleichung der Handschriften nöthige Aktenstücke in Verwahrung des Gerichtes oder einer anderen öffentlichen Behörde, so hat sich das Gericht von Amtswegen für die Herbeischaffung derselben zur Rekognition oder zum Gebrauche bei Entscheidung des Prozesses zu verwenden. In Ansehung der Rekognition der Handelsbücher sind die darüber ertheilten besonderen Vorschriften zu beobachten.
§ 30
Beruft sich ein Theil auf Zeugen, so sind entweder die Thatsachen, worüber sie vernommen werden sollen, in dem Protokolle über die Verhandlung bestimmt zu bezeichnen, oder eigene Weisartikel den Akten beizulegen.
§ 31
Werden Eide angeboten oder aufgetragen, so sind die Personen, welche sie ablegen sollen, insofern darüber ein Zweifel stattfinden kann, namentlich zu bezeichnen. Derjenige, welchem ein Eid aufgetragen wird, ist zu einer bestimmten Erklärung darüber aufzufordern, ob er ihn ablegen oder zurückschieben wolle.
§ 32
Von den streitenden Theilen oder ihren Sachwaltern abgefasste Entwürfe zu Protokollen über Prozessverhandlungen dürfen von dem Gerichte nie angenommen oder benützt werden.
§ 33
Kann nach geschlossenem Verfahren sogleich entweder unbedingt, oder durch Zulassung eines Eides entschieden werden, so ist ein Urtheil auszufertigen und beiden Theilen zuzustellen. Mit dem Urtheile zugleich sind dem Sachfälligen, oder wenn sein Theil in der Hauptsache ganz obgesiegt hat, beiden Theilen die Entscheidungsgründe einzuhändigen.
§ 34
Auf den Schätzungs- oder Erfüllungseid kann erkannt werden, obgleich die streitenden Theile sich nicht dazu erboten hätten.
§ 35
Ob ein Eid zurückgeschoben, oder ein Eid, dessen Zurückschiebung unzulässig ist, aufgetragen werden könne, bleibt dem Ermessen des Gerichtes überlassen. In keinem Falle findet eine Zurückschiebung statt, wenn sie nicht schon bei Verhandlung der Hauptsache erfolgt ist. Wäre darüber im Prozesse keine ausdrückliche und rechtsgültige Erklärung abgegeben worden, so hat das Gericht nur auf den Eid desjenigen Theiles, welchem derselbe aufgetragen worden ist, zu erkennen. Ist der Eid durch eine rechtsgültige Erklärung ausdrücklich zurückgeschoben worden, so darf nur auf den zurückgeschobenen Eid erkannt, und nur, wenn das Gericht die Zurückschiebung unzulässig fände, demjenigen Theile, welchem der Eid aufgetragen worden ist, die Ablegung desselben gestattet werden.
§ 36
Der angebliche Aussteller einer Urkunde, der die Echtheit seiner Schrift oder Unterschrift, oder seines Handzeichens bestreitet, muss auf Verlangen seines Gegners verurtheilt werden, ohne den Beisatz: seines Wissens und Erinnerns zu schwören, dass die Urkunde weder von ihm selbst, noch mit seiner Beistimmung von einem Dritten geschrieben oder unterschrieben worden sei. Dieser Eid kann nicht zurückgeschoben werden. Ist der streitende Theil, welcher eine gegen ihn angeführte Urkunde für unecht erklärt, nicht der angebliche Aussteller, so kann von ihm selbst dann, wenn er als Kurator oder gesetzlicher Vertreter im Namen eines Anderen Prozess führt, der Eid gefordert werden, dass er die Urkunde nach seinem besten Wissen für unecht halte. Für die Zurückschiebung dieses Eides gelten die in dem § 35 ertheilten Vorschriften.
§ 37
Wer einen ihm aufgetragenen Eid ablehnen, oder die Ablegung eines Eides durch seinen Gegner hindern will, hat die dazu dienlichen Beweismittel bei Verhandlung der Hauptsache beizubringen. Nach geschlossenem Verfahren findet Gewissensvertretung oder Gegenbeweis nicht mehr statt.
§ 38
Findet das Gericht einen Zeugenbeweis nöthig, so hat dasselbe nach geschlossenem Verfahren die Zeugen durch Bescheid zur Abhörung sogleich vorzuladen. Den streitenden Theilen soll die Vorladung bekannt gemacht und gestattet werden, der Beeidigung der Zeugen beizuwohnen. In Rücksicht der unter fremder Gerichtsbarkeit stehenden Zeugen ist das erforderliche Ersuchschreiben sogleich auszufertigen.
§ 39
Das Gericht soll von den streitenden Theilen übergebene zweckmässige Weisartikel und Fragstücke benützen, überflüssige, dunkle oder unvollständige Artikel und Fragen weglassen, erläutern, ergänzen, oder durch andere ersetzen ; wenn keine Artikel und Fragstücke überreicht worden sind, die Fragen an die Zeugen selbst entwerfen, und überhaupt das Verhör so leiten, dass von dem Zeugen die ihm mögliche bestimmte und klare Auskunft über die streitigen Thatsachen gegeben, nöthigenfalls die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen gehörig in’s Licht gesetzt werde. Sind die Zeugen einem anderen Gerichte unterworfen, so muss in dem Ersuchschreiben um Abhörung derselben die erfolgte Einleitung des summarischen Verfahrens bemerkt und über den Gegenstand des Zeugenbeweises die nöthige Aufklärung gegeben werden.
§40
Beweisschriften oder Beweiseinreden werden nicht zugelassen. Nach beendigten Zeugenverhören wird sogleich das Urtheil geschöpft, und mit demselben sogleich dem Sachfälligen, oder, wenn sein Theil in der Hauptsache ganz obgesiegt hat, beiden Theilen nebst den Entscheidungsgründen eine Abschrift der Zeugenaussagen zugestellt.
§ 41
Findet das Gericht den Beweis durch Kunstverständige zuzulassen, so hat es seinen Beschluss beiden Theilen durch Bescheid mit Bezeichnung des Gegenstandes der Beweisführung zu eröffnen, und sie zugleich zur Vernehmung über die Wahl der Kunstverständigen vorzuladen; sodann aber, wenn die streitenden Theile nicht erscheinen, oder sich über einen zweckmässigen Vorschlag nicht vereinigen, die Kunstverständigen nach eigenem Gutbefinden zu benennen, und den Augenschein sogleich vorzunehmen. Die Vorschrift des § 40 gilt auch für den Beweis durch Kunstverständige.
§ 42
Wie vielen Glauben die Vergleichung der Handschriften verdiene, ist nach Beschaffenheit der Umstände zu beurtheilen. Die Vergleichung der Handschriften ist in der Regel von dem Gerichte selbst vorzunehmen. In zweifelhaften Fällen bleibt demselben zwar überlassen, auch das Gutachten von Kunstverständigen einzuholen und bei der Entscheidung zu benützen. Wird dieses aber nothwendig, so sind die Kunstverständigen sogleich von Amtswegen zu bestimmen und ohne Zuziehung der Partheien zu vernehmen; nur die Vorschrift des § 40 ist auch in diesem Falle zu beobachten.
§ 43
Gegen ein im summarischen Verfahren ergangenes Urtheil kann die Appellation mündlich oder schriftlich, jedoch nur binnen 8 Tagen nach Zustellung desselben angemeldet werden. Beschwerden sind mit der Appellations-Anmeldung zugleich zu überreichen oder zu Protokoll zu geben. Abgesonderte, später überreichte Beschwerden werden nicht angenommen, und Appellations-Einreden nicht zugelassen.
§44
Rekurse müssen im summarischen Verfahren binnen 8 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei dem Gerichte erster Instanz überreicht, oder zu Protokoll gegeben werden. Im Falle einer Verzögerung des Verfahrens kann jeder Theil bei dem Appellations-Gerichte unmittelbar Abhilfe suchen.
§ 45
Gegen Beschlüsse, wodurch das summarische Verfahren eingeleitet, die Erstreckung einer Tagsatzung abgeschlagen, oder eine Vernehmung der Zeugen oder Kunstverständigen angeordnet wird, findet kein abgesonderter Rekurs statt. Den streitenden Theilen steht frei, ihre Beschwerden dagegen nach ergangenem Urtheile mit der Appellation gegen die Entscheidung der Hauptsache zu verbinden. Gegen Bescheide, wodurch das Ausbleiben bei einer Tagsatzung für gerechtfertigt erklärt, oder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen eine verstrichene Fallfrist bewilligt wird, ist der Rekurs ganz unzulässig.
§46
Die Fristen zur Appellation und zum Rekurse können nicht verlängert werden.
§47
Das Gericht erster Instanz hat Appellation und Rekurs, wenn die Frist dazu versäumt ist, von Amtswegen zu verwerfen, wenn aber Appellation oder Rekurs in gehöriger Zeit ergriffen wird, die Akten sogleich durch einen eigenen Bericht an das Appellationsgericht zu überreichen.
§ 48
Nach erfolgter Appellation gegen ein Urtheil kann das Appellationsgericht, wenn es in der Prozessverhandlung wesentliche Gebrechen findet, das Verfahren aufheben und eine neue Verhandlung einleiten ; oder ohne Rücksicht auf die bei dem Gerichte erster Instanz erfolgte Vernehmung der Zeugen oder Kunstverständigen weiteres Beweisverfahren oder Erneuerung des Zeugenverhörs oder Augenscheines anordnen. Diese Verfügungen können auch ohne bestimmtes Begehren der streitenden Theile, jedoch immer nur dann stattfinden, wenn durch die Fehler des Verfahrens eine gründliche Entscheidung der Hauptsache unmöglich geworden, und von der Fortsetzung der Verhandlungen mit Wahrscheinlichkeit Erfolg zu erwarten ist.
§ 49
Die für die Appellation und für die Rekurse an das Appellationsgericht ertheilten Vorschriften gelten, insofern die Entscheidungen des Gerichtes erster Instanz von dem Appellationsgerichte abgeändert oder aufgehoben werden, auch für die Revision und für Rekurse an den obersten Gerichtshof.
§ 50
Revisionen und Hofrekurse gegen gleichförmige Urtheile oder Bescheide hat das Gericht erster Instanz als unzulässig selbst von Amtswegen zu verwerfen.
§ 51
Die Exekution kann mündlich oder schriftlich angesucht werden. Uebrigens wird durch die nachfolgenden Bestimmungen das Gesetz vom 22. Juni 1843 über den kürzeren Exekutionszug in Schuldsachen unter 50 Gulden R. W. nicht aufgehoben.
§ 52
Dem Gläubiger steht frei, mit der Pfändung beweglicher Sachen zugleich die Schätzung derselben anzusuchen.
§ 53
Zur Feilbietung beweglicher Sachen sind nur zwei Termine festzusetzen, bei deren letztem sie, wenn der Schätzungswerth nicht zu erhalten ist, auch unter demselben veräussert werden müssen.
§ 54
Wenn sich die Klage auf eine vollen Glauben verdienende Urkunde gründet, jedoch Zeugenbeweis oder Augenschein angeordnet wird, so hat das Gericht dem Kläger, wenn er nicht bereits hinlänglich sicher gestellt ist, auf mündliches oder schriftliches Ansuchen die Exekution zur Sicherstellung der eingeklagten Forderung sammt Nebengebühren, allenfalls auch mittelst Pfändung zu ertheilen.
Diese Pfändung kann auch auf das von dem Beklagten nach § 1425 allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches zu Gericht erlegte Gut bewilligt werden.
§ 55
Auf gleiche Art ist der Beklagte zur Sicherstellung anzuhalten, wenn er gegen ein ihn unbedingt zur Zahlung verurtheilendes Erkenntniss erster oder zweiter Instanz Appellation oder Revision ergreift.
Welches dem Regierungsamte zur Kundmachung und allgemeinen Darnachachtung bekannt gegeben wird.
Von der hochfürstlichen Hofkanzlei
Wien, am 5. November 1857.
Franz Zimerman m.p.
Franz Strak m. p.