[Verordnung des] Ordinariat[s] des Bistums Chur
an den hochwürdigen Curat-Clerus
des souverainen Fürstenthums Liechtenstein[1]
vom 20. Januar 1866
Nachdem von der hochwürdigen Pfarrgeistlichkeit sowohl als ab Seite der fürstlichen Regierung des souverainen Fürstenthums Liechtenstein Wünsche und Vorschläge behufs Aufstellung gemeinsamer Normen in Sache der gemischten Ehen hierorts eingereicht worden,
hat das bischöfliche Ordinariat
nach reiflichster Erdaurung und möglichster Berücksichtigung oberwähnter Vorschläge, und nachdem es insbesonders von der Fürstlichen Regierung die ausdrückliche schriftliche Zusicherung des bisherigen Verfahrens erhalten, wornach bei beabsichtigten Verehelichungen Liechtensteinischer Staatsangehörigen mit Frauenspersonen nicht katholischer Confession der vorgeschriebene Ehe-Consens von der Behörde erst dann ertheilt wird, wenn sich die Brautleute durch einen Revers verpflichten, ihre Kinder ohne Unterschied des Geschlechtes in der katholischen Religion zu erziehen,
verordnet wie folgt:
1. Sobald der Seelsorger einer Gemeinde in sichere Erfahrung bringt, dass eines seiner Pfarrkinder willens sei eine gemischte Ehe einzugehen, soll er dasselbe mit ernstlichen Vorstellungen nach Kräften davon abmahnen und dabei in thunlicher Weise auch den Einfluss der Eltern und nächsten Anverwandten in Anspruch nehmen.
2. Beharrt aber der Pfarrangehörige ungeachtet der Ermahnungen auf seinem Vorhaben, so hat der Pfarrer seine Bestrebungen dahin zu richten, dass die Brautleute wenigstens den schriftlichen Revers katholischer Kinder-Erziehung und den darauf basirten Ehe-Consens der politischen Behörde beibringen, ohne welchen die kirchliche Dispens super impedimento mixtae Religionis nicht erhältlich ist.
3. Liegt ein solcher Revers und der hierauf basierte Ehe-Consens der politischen Behörde vor, so steht dem Parochus proprius des Petenten nicht mehr zu, der beabsichtigten Verehelichung aus dem Titel der Religionsverschiedenheit weitere Hindernisse entgegen zu stellen.
4. Geschähe es, dass ein Ausländer eine katholische Inländerinn heirathen wollte, den Revers aber wegen katholischer Kindererziehung auszustellen sich weigert, so wird laut gegebener schriftlicher Versicherung die Fürstliche Regierung in einem solchen Falle auf Mittheilung des betreffenden Pfarramtes ihrerseits Dispensation von den vorgeschriebenen Proclamationen (kirchliches Aufgebot) eintreten lassen.
5. Da die Pfarrbücher auch im Fürstenthum Liechtenstein zugleich die Register über den Stand der Geburten etc. somit in Betreff der staatlichen Beziehungen den Civilstand bilden, so kann die Ausfertigung von Auszügen aus den Pfarrbüchern (aus dem einzigen Grunde beabsichtigter Mischehe) niemandem über dessen Ansuchen verweigert werden.
Die Fürstliche Regierung hat sich verpflichtet und das bischöfliche Ordinariat sich damit einverstanden erklärt, dass, weil wie oben erwähnt die Pfarrbücher gleichzeitig auch die Civilstands-Register bilden, alle auf die Führung derselben bezugnehmende Bestimmungen künftighin nur in gegenseitigen Einverständnisse getroffen werden sollen.
6. Jeder Pfarrer hat von dieser Verordnung eine Abschrift zu nehmen und zur Darnachachtung im Pfarr-Archiv aufzubewahren.
Gegeben Chur, 20. Januar 1866
Für das bischöfliche Ordinariat
J. M. Appert, Kanzler
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[1] Original: LI LA RE 1866/71.