Verordnung[1]
vom 12. Juni 1862
Se. Durchlaucht haben zur Vereinfachung des Geschäftsganges beim Regierungsamte Höchstihres souverainen Fürstenthums Liechtenstein in den Betrag von 200 fl. Ö. W. nicht überschreitenden Civil-Rechtsstreitigkeiten die Einführung eines bedingten Mandatverfahrens unter nachstehenden Bestimmungen zu genehmigen geruht:
§ 1
In Rechtsstreitigkeiten über bestimmte Geldsummen, welche ohne Zinsen und andere Nebengebühren den Betrag von 200 fl. Ö. W. nicht übersteigen, findet ein bedingtes Mandatverfahren statt.
§ 2
Die Klage kann mündlich oder schriftlich angebracht werden.
§ 3
Ueber eine solche gerichtsordnungsmässig instruirte Klage wird dem Geklagten mit Bescheid aufgetragen, dass er binnen 14 Tagen vom Tage der Zustellung des Bescheids an entweder den Kläger klaglos zu stellen und die eingeklagte Summe sammt Zins und Gerichtskosten dem Kläger zu zahlen oder binnen gleicher Frist gegen die Forderung bei dem fürstlichen Regierungsamte mündlich zu Protocoll oder schriftlich Widerspruch zu erheben habe, widrigens dieser Bescheid die Kraft eines Contumacial-Erkenntnisses erlangt und auf Antrag des Klägers ohne Weiteres in Vollzug gesetzt wird.
§ 4
Ueber den rechtzeitig erhobenen Widerspruch des Geklagten wird eine Tagfahrt zur Verhandlung der Sache nach Massgabe der bestehenden Processgesetze festgesetzt.
§ 5
Bei der Erledigung der Klage durch ein Mandat wird das erste Pare der Klage oder eine Protocollsabschrift dem Geklagten zugestellt und das andere Pare oder das Protocoll in Original bei Gericht zurückbehalten; der Kläger erhält einen Rathschlag.
§ 6
Die sonst üblichen „Citationen“ sind in solchen Rechtsstreitigkeiten nicht anzuwenden. Zugleich wird der im § 1 der Verordnung vom 5. November 1857, Nr. 8565, festgesetzte Betrag der zum summarischen Verfahren sich eignenden Forderungen auf 200 fl. Ö. W. mit dem Beisatze bestimmt, dass in Folge dessen auch die in den §§ 2 und 4 gedachter Verordnung vorkommenden Beträge pr. 200 fl. als Ö. W. anzusehen sind.
§ 7
Die gegenwärtige Verordnung tritt mit dem Tage der Publication in Gesetzeskraft.
Wien, am 12. Juni 1862.
Von der Hochfürstlichen Hofkanzlei.
Ernest Zipfl.
Rudolf Nechansky
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[1] LI LA SgRV 1862/04. Originaltitel. Druck.