Spionage und Werbung für fremde Kriegsdienste


[Gesetz über Ausspähung (Spionage) und Falschwerbung][1]

vom 15. Januar 1843

Wir Alois Joseph, von Gottes Gnaden souverainer Fürst und Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein von Nikolsburg, Herzog zu Troppau und Jägerndorf in Schlesien, Graf zu Rietberg, Ritter des goldenen Vliesses, Grosskreuz des kön. Hannoverischen Guelphen-Ordens, etc. etc. etc

Das in Unserem Fürstenthume in Anwendung stehende österreichische Gesetzbuch über Verbrechen bezieht sich sowohl in Absicht auf das Verbrechen der Ausspähung (Spionerie) im § 60, als der Falschwerbung im § 77 auf die in den Militärstrafgesetzen darüber angeordnete Behandlung und Bestrafung. Da nun diese Militärgesetze im Fürstenthume weder angenommen noch publiziert sind, sondern lediglich die Falschwerbung in dem Auswanderungspatente vom 15. März 1809 behandelt ist, die Ausspähung aber sowohl bei Massnahmen eigener Vertheidigung des Landes, als insbesondere bei Mitwirkung einer verbündeten Macht geschehen kann, so finden Wir in Bezug auf die §§ 60 und 77 des Gesetzbuches über Verbrechen und mit Aufhebung der früheren diessfälligen Bestimmungen des angezogenen Auswanderungspatentes nachfolgendes Gesetz über Ausspähung und Falschwerbung zu erlassen.

§ 1

Wer die Stärke oder den Zustand der Vertheidigungsmacht, ihre Veranstaltungen oder Pläne, ihre Stellungen oder Bewegungen, den Zustand einer Befestigung oder Feldverschanzung, der Vorräthe oder Magazine, überhaupt solche Verhältnisse oder Gegenstände, welche auf die militärische Vertheidigung des Staates oder die Operationen der bewaffneten eigenen oder verbündeten Macht Beziehung haben, in der Absicht auskundschaftet, um dem Feinde auf was immer für eine Weise davon Nachricht zu geben, macht sich des Verbrechens der Ausspähung schuldig.

§ 2

Dieses Verbrechen ist, wenn der Ausspäher ein Inländer ist, und wäre es auch ohne allen Erfolg nur beim Versuche geblieben, während der Kriegszeit von dem Oberamte mit dem Tode durch den Strang zu bestrafen. Auch ist gegen den Verbrecher, wenn er auf der That oder noch während des Krieges ergriffen wird, standrechtmässig zu verfahren. Wäre der Verbrecher ein Ausländer, so ist er, falls er nicht ohnehin vom verbündeten Militär ergriffen wurde, dem im Lande befindlichen Militär-Commando zur Behandlung und Bestrafung abzugeben, und wenn solches ihn nicht übernehmen oder ihn dem Oberamte zur Bestrafung überliefern wollte, von diesem gleich dem Inländer wie vorhin verordnet, zu behandeln und zu bestrafen.

§ 3

Wer dem feindlichen Ausspäher entweder zu der Auskundschaftung selbst oder zur Benachrichtigung des Feindes von den ausgekundschafteten Verhältnissen oder Gegenständen, es sei durch Rath oder That, vorsetzlich Hülfe leistet, macht sich des Verbrechens mitschuldig und ist, gleich dem Ausspäher, nach Vorschrift des § 2 zu behandeln und zu bestrafen.

§ 4

Wer eine solche Auskundschaftung oder Mittheilung an den Feind, wenn er sie, ohne sich einer Gefahr auszusetzen, zu verhindern vermag, vorsätzlich nicht verhindert, ferner, wer einen ihm bekannten feindlichen Ausländer, den er ohne eigene Gefahr der Obrigkeit anzeigen kann, derselben anzuzeigen vorsätzlich unterlässt, ist ebenfalls für mitschuldig zu achten, und soll zu schweren Kerker von 5 bis 10 Jahren verurtheilt werden.

§ 5

Auch derjenige ist als Ausspäher anzusehen, der im Frieden solche Vorkehrungen oder Gegenstände, welche auf die Kriegsmacht des Staates oder die militärische Vertheidigung desselben Beziehung haben, und die von dem Staate nicht öffentlich getroffen oder behandelt werden, in der Absicht auskundschaftet, um einem fremden Staate davon Nachricht zu geben.

§ 6

Ein solcher Ausspäher soll nach Maass der angewandten List, der Wichtigkeit der Ausspähung und der Grösse des Schadens, der für den Staat oder für die mit ihm verbündete Macht daraus entstehen kann, ohne Unterschied, ob der Verbrecher ein In- oder Ausländer ist, von dem Oberamte mit schwerem Kerker von einem bis fünf Jahren, und wenn die Mittheilung schon wirklich an den fremden Staat geschehen, oder selbst bereits ein Schaden daraus entstanden ist, mit schwerem Kerker von fünf bis zehn Jahren bestraft werden. Wäre aber die Ausspähung eigens in der Absicht unternommen worden, um dem Staate eine Gefahr von Aussen zuzuziehen oder eine solche Gefahr zu vergrössern oder wäre sie insbesondere zu einer Zeit, wo der Krieg auf dem Ausbruche gestanden und von einer Person, welche von diesem Umstande Wissenschaft gehabt, zu dem Ende unternommen worden, um der auswärtigen Macht, welche dem Staate Anstalten zu seiner Vertheidigung zu treffen Anlass gegeben, von den ausgekundschafteten Vorkehrungen oder Gegenständen Nachricht zu ertheilen, so hat, wenn das Verbrechen auch ohne allen Erfolg nur bei dem Versuche geblieben wä§re, die Strafe des lebenslänglichen schweren Kerkers statt.

§ 7.

Wer dem Aussspäher bei einer Ausspähung im Frieden durch Rath und That vorsätzlich Hilfe leistet, ist wie der Ausspäher selbst zu bestrafen. Wenn jedoch ein solcher Mitschuldiger in einem Falle, wo nach § 6 gegen den Ausspäher die lebenslängliche schwere Kerkerstrafe Anwendung findet, von der zur Verhängung derselben nach eben diesem Paragraphe erforderlichen Beschaffenheit und Absicht der Ausspähung keine Kenntniss hätte, so ist derselbe lediglich mit schwerem Kerker von 1 bis 5 Jahren zu bestrafen

§ 8

Wer im Frieden eine Ausspähung, die er ohne eigene Gefahr verhindern kann, zu hindern oder einen ihm bekannten Ausspäher der Obrigkeit anzuzeigen vorsätzlich unterlässst, soll von dem Oberamte zu ein- bis dreijährigen - und falls in Folge seiner Unterlassung die Mittheilung an den fremden Staat wirklich geschehen oder selbst schon ein Schaden daraus entstanden wäre, zu drei- bis fünfjährigen schweren Kerker verurtheilt werden. Wenn aber ein Mitschuldiger dieser Art in einem Falle, wo gegen den Ausspäher selbst nach dem § 6 die Strafe lebenslänglichen schweren Kerkers Anwendung hat, von der Beschaffenheit und Absicht der Ausspähung, welche nach gedachtem Paragraphe zur Verhängung der erwähnten Strafe erforderlich ist, Wissenschaft hatte, so ist derselbe zu schweren Kerker von 5 bis 10 Jahren zu verurtheilen.

§ 9

Ausspähungen, welche in einer unter b § 52 des Gesetzbuches über Verbrechen erwähnten hochverrätherischen Absicht, aber nicht in Betreff von Vorkehrungen, Verhältnissen oder Gegenständen der in dem ersten und fünften Paragraphe der gegenwärtigen Vorschrift bezeichneten Art unternommen worden, sind in allen Fällen von dem Oberamte als allein kompetentes Kriminalgericht nach den Bestimmungen der §§ 52 bis 55 des gedachten Gesetzbuches zu beurtheilen und zu bestrafen.

§ 10

Wer für fremde Kriegsdienste wirbt, soll in Folge § 77 des Gesetzbuches über Verbrechern, wenn er ein Inländer ist, durch das Oberamt untersucht, und wenn er das Verbrechen in Kriegszeiten verübt hat, mit dem Strange hingerichtet werden. Diese Behandlung und Bestrafung hat nicht minder gegen solche Werber Statt, welche zur Zeit des Krieges Soldaten oder zum Militärkörper gehörige Personen auch nur zur Ansiedlung für fremde Länder werben. Auf gleiche Weise sind um so mehr diejenigen zu behandeln und zu bestrafen, die zu solcher Zeit sich des Menschenraubes schuldig machen, und fremden Truppen Rekruten, oder einem fremden Staate zum Militärkörper gehörige Personen als Ansiedler zuzuführen. Auch ist in einem wie in dem andern dieser Fälle gegen den Verbrecher, wenn er noch während des Krieges ergriffen wird, standrechtmässig zu verfahren. Wäre der Verbrecher ein Ausländer und die Falschwerbung oder der Menschenraub zu Kriegszeiten und in vorangeführter Absicht im Lande an dem verbündeten Militär, oder dazu gehörigen Personen allein geschehen, so ist er, falls er von diesem eingebracht wurde, dem betreffenden Militär-Commando zur Behandlung und Bestrafung zu überlassen; im Falle der Einbringung aber durch Unterthanen zu gleichem Behufe auf Verlangen auszuliefern, und wenn ein solches nicht erfolgte oder der Verbrecher dem Oberamte überlassen oder überliefert werden wollte, von diesem, wie vorhin verordnet, zu behandeln und zu bestrafen.

§ 11

Wird eines dieser Verbrechen zur Zeit des Friedens verübt, so soll der Verbrecher, falls er einer der bezeichneten Werbung schuldig ist, mit drei bis fünfjährigem, und wenn er dem Staate oder dem Kontingente schon wirklich einen oder den anderen Mann entzogen, und seine Werbung noch weiter fortsetzt oder wiederholt, oder, wenn er das Verbrechen zu einer Zeit, wo der Frieden des Staates bedroht ist, ausgeübt, und von diesem Umstand Wissenschaft gehabt hat, mit 5 bis 10 jährigem, im Falle des Menschenraubes aber mit lebenslangem schweren Kerker bestraft werden.

§ 12

Auch derjenige, der zur Ausübung eines dieser Verbrechen die in seiner Macht gestandenen Mittel angewendet hat, und von der wirklichen Vollbringung, indem er schon in der letzten dazu erforderlichen Handlung begriffen war, bloss durch Dazwischenkunft eines fremden Hindernisses, oder durch Zufall abgehalten worden ist, soll, je nachdem er das Verbrechen zu Kriegs- oder Friedenszeiten unternommen, nach dem § 10 oder 11 behandelt und bestraft werden. Wäre aber der Verbrecher in dem Versuche nicht so weit vorgeschritten, so ist derselbe nach Mass, als sein Versuch von der Vollbringung des Verbrechens entfernt geblieben, und mit Rücksicht, ob solcher zu Friedens- oder Kriegszeiten geschehen, in Fällen, wenn eine der erwähnten Werbungen versucht worden, zu ein- bis fünfjährigen, wenn aber ein Menschenraub der bezeichneten Art unternommen worden, zu fünf- bis zehnjährigen schweren Kerker zu verurtheilen.

§ 13

Wer bei einer der gedachten Unternehmungen dem Verbrecher durch Rath oder That vorsätzlich Hülfe leistet, ist wie der Verbrecher selbst zu behandeln und zu bestrafen. Jedoch kann in Fällen, wo nach dem § 11 gegen den Werber fünf- bis zehnjährige Strafe Anwendung findet, ein solcher Mitschuldiger, wenn er dem Werber nur zu einer oder der andern einzelnen Werbung Hülfe geleistet, oder von dem Umstande, dass der Frieden des Staates bedroht sei, keine Wissenschaft gehabt, lediglich mit drei- bis fünfjährigem schweren Kerker bestraft werden.

§ 14

Wer eines der erwähnten Verbrechen, wenn er es ohne eigene Gefahr verhindern kann, zu hindern, oder einen solchen ihm bekannten Verbrecher der Obrigkeit [anzuzeigen?] vorsätzlich unterlässt, ist mit Bedacht, ob die Unterlassung zu Friedens- oder Kriegszeiten geschehen, zu ein- bis fünfjährigen schweren Kerker zu verurtheilen.

§ 15

Wer einen Ausspäher, Werber oder Menschenräuber der in dieser Vorschrift § 1, 5, 10 und 11 gedachter Art der Obrigkeit anzeigt, oder das Verbrechen durch Ergreifung und Festhaltung des Verbrechers, oder sonst mit der That verhindert, erhält eine Belohnung von 100 Gulden, und nach Umständen von höherem Betrage.

Auch wird demjenigen, der bei einer dieser Handlungen oder Unternehmungen einer Mitwirkung sich schuldig gemacht, wenn er, durch Reue bewogen, eine solche Anzeige zu einer Zeit bewerkstelliget, wo die Handlung oder Unternehmung noch unwirksam gemacht werden kann, oder wenn er aus gleichem Beweggrunde die Ausführung des Verbrechens auf eine oder andere Weise selbst verhindert, nicht nur die Straflosigkeit, sondern auch, wofern er nicht selbst der Anstifter der Handlung oder Unternehmung war, die erwähnte Belohnung zugesichert.

Gegeben in Unserem Schlosse zu Eisgrub den fünzehnten Jänner 1843

Alois

 (L.S.)

Joseph Freiherr von Buschmann, fürstlicher dirigirender Hofrath.

Maximilian Kraupa, fürstlicher Wirtschaftsrat.

Nach Sr. Durchlaucht

Höchst eigenem Befehle:

Franz Strak, fürstlicher Sektretär

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[1]LI LA Sg RV 1843. Kein Originaltitel, Druck.