Vertrag zwischen dem souveränen Fürstenthum Hochenliechtenstein und dem souveränen schweizerischen Canton St. Gallen über die Uferbauten am Rhein längs der ganzen beidseitigen Gränze [1]
vom 7. Oktober 1837
Erklärung [2]
Nachdem die bevollmächtigte Hofkanzlei Seiner Durchlaucht des souveränen Herrn Fürsten von Liechtenstein mit der Regierung des souveränen schweizerischen Kantons St. Gallen in gemeinschaftlicher Absicht dem Rheinstrom, welcher die Gränze beidseitiger Gebiete bildet, durch sorgfältige Anordnung, Leitung und Beaufsichtigung der Wuhrbauten an den Ufern eine möglichst regelmässige und ungefährliche Richtung zu geben sowie die anstossenden Gemeinden durch Anweisung zu zweckmässigem Uferbau vor unnutzen Aufwand an Arbeit und Kosten, zugleich aber auch vor Schädigung durch Uferdurchbrüche und Überschwemmungen sicher zu stellen die erforderlichen Verabredungen getroffen hat, verpflichtet sich dieselbe durch gegenwärtiges, von ihrer Seite dieselben in nachstehender Fassung als vertragsmässige Obliegenheit anzuerkennen.
Art. 1. Es sollen von nun an (den einzigen Fall einer plötzlich eintrettenden Nothwehr ausgenommen) am Rheinstrom längs der ganzen beidseitigen Gränzlinie weder von den liechtensteinischen noch von den St. Gallischen Gemeinden Wasserbauten irgend einer Art vorgenommen werden dürfen, ohne vorangegangenes Einverständniss über Art, Beschaffenheit und Ausdehnung des Baues.
Art. 2. Jährlich im Spätherbst wird durch beidseitig abgeordnete Kunstverständige der Stromlauf und der Bestand der Uferbauten diess- und jenseits mit Beiziehung von Ausschüssen der betreffenden liechtensteinischen und st. gallischen Gemeinden einem allgemeinen Augenschein unterworfen, in Folge dessen im gemeinschaftlichen Einverständniss alle und jede künftige Uferbauten festgesetzt werden.
Art. 3. Über den Befund des Stromlaufes und die Uferbauten wird ein Protokoll aufgenommen, in welchem auch die bevorstehenden Wuhrarbeiten, über die eine Verständigung erfolgt ist, zu Jedermanns Nachachtung angegeben werden sollen.
Art. 4. Sollte im einzelnen Fall wegen beharrlich abweichenden Ansichten und Wünschen kein Verständniss erzielt werden können, so haben die Abgeordneten an ihre respectiven Oberbehörden Bericht zu erstatten, denen dann zusteht zu Erzielung eines endlichen Übereinkommens die gutfindenden Schritte zu thun und gemeinsam die geeigneten definitiven Schlussnahmen zu fassen.
Art. 5. Jeder der beiden Kontrahenten ist pflichtig, die auf den Uferbau bezüglichen Anordnungen, welche in Gemässheit der Art. 2, 3 und 4 getroffen werden, inner seinem Gebiete zur Vollziehung zu bringen und insbesondere haben sich die betreffenden baupflichtigen Gemeinden genau dem Inhalt jener Anordnungen zu unterziehen und alle jene Arbeiten auszuführen, welche dadurch vorgeschrieben werden.
Art. 6. Die Kosten bei dem jedesmaligen Augenschein, in soweit dieselben für die beidseitigen Staats-Abgeordneten anlaufen, hat jeder Theil selbst zu bestreiten, die Kosten, welche die Theilnahme der Gemeinde-Ausschüsse veranlasst, werden von den betreffenden Gemeinden getragen.
Art. 7. Da die täglich zunehmende Versumpfung der im Bereiche des Rheinstromes liegenden Güter einzig und allein von der übermässigen und in unzähligen Unregelmässigkeiten abwechselnden Breite seines Flussbettes herrührt, wird zu Folge der am Rheinfluss unter der Illmündung in einer Reihe von mehreren Jahren durch Techniker gemachten Beobachtungen festgesetzt, dass die unregelmässige Breite des Flusses von der Liechtensteiner Gränze von Ruggell bis an den Schollberg nach und nach im Verhältniss zu den Kräften der betheiligten beidseitigen Gemeinden bis auf eine Breite von 395 Fuss und 3 Linien Schweizermass (400 Fuss Wienermass) für die Abstände der Uferbauten und von 691 Fuss 3 Zoll und 3 Linien Schweizermass (700 Fuss Wienermass) für die der Binnendämme eingeschränkt werden möge.
Art. 8. Diese Einschränkung des Fluss soll für die Zukunft nur mittelst Anlegung von Paralell- oder Leitwerken, welche den Fluss nach seinem Lauf in immer gleicher Entfernung von einander begleiten, oder mittelst Schöpfwerken und Fangsbuhnen[3], welche die Auffassung oder Ablagerung des Geschiebes zum Zwecke haben, bewirkt werden dürfen. Die Anlegung von neuen sogenannten Wuhrköpfen, welche den Fluss von einem Ufer zum andern werfen und als Hauptursache seiner dermaligen Unregelmässigkeit anzusehen sind, soll von nun an gänzlich unterbleiben, die bestehenden Wuhrköpfe aber sollen nach und nach mittelst Verbindung ihrer schädlichen Spitzen durch neue Paralellwerke oder in anderem kunstgerechtem Wege in das Regulierungs-System gezogen und sohin unschädlich gemacht werden.
Art. 9. Bei eintrettender Nothwendigkeit der Reparierung alter Wuhrköpfe und bis zu ihrer Aufhebung durch das Vorschreiten der neuen Bauwerke wird festgesetzt, dass die Schärfe der Wuhrkopfspitzen nicht wieder, wie sie bestanden hat, sondern in abgerundeter Form hergestellt werden soll.
Art. 10. Um dem Fluss eine möglichst regelmässige Bahn zu verschaffen, sollen bei convexen (d.h. auswärts gebogenen) Ufern, sofern nicht deren Zurückziehung nöthig wird, nur Paralell oder Leitwerke nach der Uferrichtung, und zwar hart derselben entlang, angelegt werden dürfen. Bei concaven Ufern sollen dagegen mit Ausschluss von Wuhrköpfen oder anderer auf das jenseitige Ufer zielenden Werke alle Wasserbauten, welche die Wasserbaukunst lehrt, angewendet werden dürfen, jedoch sollen diese Bauten, die für den Flussablauf vorbehaltene Breite von 395 Fuss 3 Linien Schweizermass (400 Wienermass) an keiner Stelle überschreiten. Die Richtung der Binnendämme soll möglichst der Richtung der Uferbauten nachfolgen.
Art. 11. Die allfällig nothwendig werdende Ausgrabung von Cunetten (kleine Durchstichgräben) durch die zwischen beiden Ufern sich befindenden Kiesbänke oder Geschiebslagen zum Behuf der Vergräderung des Wasserablaufes und Vertiefung des Flussbettes in seiner Mitte soll zwar ungehindert, jedoch nur in paraleller Richtung zwischen beiden Ufern vorgenommen werden dürfen.
Nach erfolgter Auswechslung gegen eine der vorstehenden gleichmässigen Erklärung ab Seite des souveränen schweizerischen Kantons St. Gallen soll dieser Vertrag in Kraft und Wirksamkeit tretten.
Wien, am 7. Oktober 1837
Josef Freiherr von Buschmann mp.
Fürstlich dirigirender Hofrath
Maximilian Kraupa mp.
Fürst. W. Rath
Von der fürstlich Alois Liechtensteinischen Hofkanzlei,
Franz Strak mp.
Fürstlicher Secretaire