Steuer-Verordnung für das souveräne Fürstenthum Liechtenstein
vom 22. April 1807
Von Gottes Gnaden Wir Johann Joseph, Fürst und Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein von Nikolsburg; Herzog zu Troppau und Jägerndorf in Schlesien, Graf zu Rittberg, Ritter des Goldenen Vliesses und Grosskreuz des militärischen Maria Theresien-Ordens, Sr. Kaiserl. Königl. Apostol. Majestät wirklicher Kämmerer, General-Feldmarschall-Lieutenant, Inhaber eines Husaren-Regiments, commandirender General in Oesterreich unter und ob der Enns, dann in Salzburg, und Commendant der Haupt- und Residenzstadt Wien etc. etc.
Seit dem Antritte Unserer Regierung haben Wir Unsere landesväterliche Sorgfalt vorzüglich dahin gerichtet, den wiederhohlten Bitten unserer getreuen Unterthanen in dem Fürstenthume Liechtenstein um Einführung einer neuen Steuerverfassung willfahren zu können, und da zugleich durch die inzwischen erlangte Souveränität für gedachtes Fürstenthum neue und solche Verhältnisse eingetreten sind, welche den vormahligen Staats-Obliegenheiten andere auferlegen und in das besondere die Repräsentation auf dem Bundestage mittelst eines eigenen Gesandten und Errichtung einer dritten Gerichtsstelle, nicht weniger für dermahlen die Stellung und Unterhaltung des Kriegs-Contingents erheischen, es auch höchst billig und gerecht ist, dass jeder Unterthan nach Massgabe seines Vermögens und des desshalb mitgeniessenden landesherrlichen Schutzes an den Lasten des Staats tragen helfe; so haben Wir in Ausübung der Souveränitäts-Rechte Unseres drittgebornen fürstlichen Sohnes Carl nach reiflicher Ueberlegung gnädigst beschlossen und verordnen hiermit wie folget:
§ 1
Es solle von nun an und für immer der bisher bestandene Steueransatz liegender Gründe und Häuser als Besteuerungs-Norm gänzlich aufhören, so wie Wir auch den vermög § 34 der rheinischen Bundes-Acte vom 12. Julius 1806 aufgehobenen Feldkirchischen Vertrag vom Jahre 1614 ausdrücklich als erloschen erklären.
§ 2
Alles und jedes unbewegliche Vermögen, welches so wohl Unsere getreuen Unterthanen, als auch Fremde innerhalb den Gränzen Unseres Landes besitzen, unterliegt künftig der gewöhnlichen und permanenten Steuer, die Wir mittelst gegenwärtiger Verordnung einführen.
Als unbewegliche Güter sollen auch alle auf gerichtliche Hypothek im Lande angelegte Capitalien angesehen werden.
§ 3
Von der Steuer sind ganz allein Unsere fürstlichen Cameral-Güter und Majorats-Capitalien ausgenommen, keineswegs aber die zeither steuerfrey gewesenen Privat- oder geistliche oder Fremden gehörige Güter, eben so wenig die Pfarrgüter, Gemeinde-Waldungen und Gemeinde-Alpen und überhaupt Besitzungen der Gemeinden, als welche alle nunmehr für steuerpflichtig erkläret werden.
§ 4
Sämmtliche sothane steuerbare Grundstücke, Aecker, Wiesen, Alpen, Weinberge (Reben), Wälder, Häuser, Gärten usw. sollen unverzüglich nach ihrem dermahligen wirklichen Kaufs- und Verkaufswerthe einzeln unparteyisch geschätzt und in das eigens errichtete, nach der Zahl der Gemeinden unterabgetheilte Grundsteuer- und Schätzungs-Hauptbuch mit ihrer ganzen Schätzungs-Summe eingetragen werden. Die Schätzung selbst soll von Unserem fürstlichen Oberamte in Gemeinschaft der besonders zu vereidenden beyden Landammänner und drey Vorstehern aus der obern und eben so viel aus der untern Landschaft an Ort und Stelle vorgenommen und in einer jeden Gemeinde der Richter dazu gezogen werden. Wobey Wir Uns zu denselben ernstlich versehen, dass sie es sich zur strengsten Pflicht machen werden, mit Beseitigung alles Privat-Interesses, bloss gerecht, einig und wechselseitig nachgiebig sich zu beweisen und wollen, dass die Mehrheit der Stimmen über den Schätzungswert entscheide.
§ 5
Von einem jeden hundert Gulden dieser so geschätzten Immobilien so wie von jedem hundert Gulden der auf gerichtlicher Hypothek liegenden Capitalien ist ein Gulden als Steuer-Simplum zu entrichten. Die Zahl der jährlich zu erhebenden Simplen wird von dem höhern oder minderen Betrag der Bedürfnisse des Landes abhängen und in jedem Jahre besonders bestimmt werden.
§ 6
Da es billig ist, dass diejenigen, die kein unbewegliches Vermögen besitzen, des Landesherrlichen Schutzes wegen, unter dem sie leben, wenigstens etwas zu den gemeinsamen Lasten beytragen, so belegen Wir dieselben mit einem besonderen Landesschutzgeld; und befehlen:
a) Dass jeder, der entweder gar kein unbewegliches Vermögen besitzt und keine Immobilien in Pachtung hat oder dessen Steuer-Vermögen die Schätzungs-Summe von 150 fl. nicht erreichet, mit 150 fl. Capital; nicht weniger
b) die Kinder von solchen nicht Begüterten, beyderley Geschlechts, wenn sie das achtzehnte Jahr zurück gelegt haben, ebenfalls mit 150 fl. Capital; sodann
c) alle im Lande befindliche weibliche und männliche Dienstbothen ohne Ausnahme mit 100 fl. Capital ein jeder; und endlich
d) diejenigen, welche Güter in Pacht haben, mit einem einjährigen Pacht-Quantum als Capitals-Betrag
in die Steuer genommen werden, mithin eben so einen Gulden von Hundert Gulden bezahlen sollen, als ob sie wirklich Güter besässen.
§ 7
Nach zu Stande gebrachter Schätzung, welche längstens bis letzten Junius laufenden Jahres gänzlich vollendet seyn muss, wird Unser fürstliches Rent- und Steueramt einem jeden Steuerpflichtigen ein kleines Steuerbuch einhändigen, worin das denselben betreffende einfache Steuer-Quantum unter Anführung aller seiner steuerbaren Besitzungen, ohne dass jedoch seine etwa darauf haftenden Schulden davon abgeschlagen werden dürfen, sich ausgemessen finden wird, und welches Buch bey jedesmahliger Entrichtung der Steuer mitzubringen ist, damit deren geschehene Bezahlung darin quittiret werden könne.
§ 8
Der auf die den Gemeinden gehörige Waldungen und Alpen ausfallende Steuerbetrag ist aus jeder einzelnen Gemeinde-Casse zu bezahlen und von der Gemeinde bey ersteren auf die an dem Beholzungsrecht theilnehmenden Gemeindsglieder nach Massgabe ihres grösseren oder geringeren Holzgenusses, bey letzteren aber auf die Zahl und Qualität des Viehes, welches auf die Alpen getrieben wird, zu repartiren. Und da die Gemeinde-Alpen den Vieheigenthümern einen ganz vorzüglichen Nutzen gewähren, so wollen Wir, dass diese Alpen nach ihrem möglichst höchsten Werthe in die Steuer genommen werden sollen.
§ 9
Diese Steuer soll als mit dem ersten Januar laufenden Jahres anfangend betrachtet und in diesem Jahre in zwey gleichen Raten, nähmlich zur Hälfte im Anfange des Augusts und zur Hälfte vor Ende Decembers, in den künftigen Jahren aber in vier gleichen Raten, nähmlich am 1. April, 1. Julius, 1. October und letzten December bezahlet werden.
§ 10
Zu diesen bestimmten Zeiten hat jeder Contribuent den ihm ausgemessenen Steuerbetrag an die bey Unserm fürstlichen Rentamte eigens errichtete abgesonderte Steuer-Casse, bey Vermeidung der Execution, unnachsichtlich abzuführen. Der sich dadurch ergebende Ertrag soll ausschliesslich zur Bestreitung aller mit der inneren und äusseren Verwaltung des Landes gewöhnlich verbundenen Auslagen, in das Besondere der Besoldung der Justiz-, Polizey- und Steuer-Beamten, auch der Gesandtschaft am Bundestage bestimmt seyn und über dessen wirkliche Verwendung am Ende eines jeden Jahres die ganz abgesondert zu führende Rechnung den Landammännern zur Einsicht vorgelegt werden.
§ 11
Unserem fürstlichen Oberamte, den Landammännern, Gerichtsmännern, Geschwornen und Richtern machen Wir es zur unablässlichen Pflicht, auf die von Zeit zu Zeit sich ergebenden Veränderungen auf Seiten der Steuerpflichtigen und der Steuergegenstände ein wachsames Auge zu haben, die Ab- und Zuschreibungen in dem Steuerbuche alljährlich vorzunehmen und überhaupt unter eigener Verantwortlichkeit dafür zu sorgen, dass kein Steuerpflichtiger ausser der Besteuerung bleibe.
§ 12
Nachdem Wir nun durch Vorstehendes die Deckung der laufenden und beständigen Bedürfnisse des Landes erzielt zu haben glauben, so finden Wir Uns ferner bemüssiget, zur Bestreitung jener Kosten, welche die Unterhaltung der Contingents-Mannschaft während des gegenwärtigen Krieges verursachet, die weitere Fürsorge zu treffen, und werden, da nach der nunmehrigen Besteuerungsart jeder Unterthan ohne Ausnahme nach dem Verhältnisse seiner Kräfte belegt werden kann, eine dem eben gedachten Kostenaufwande angemessene Anlage von Steuer-Simplen als ausserordentliche oder Kriegssteuer verfügen, wobey Wir dasjenige, was die Landschaft zu Ende des vorigen Jahres und im Laufe dieses Jahres zu diesem Behufe bereits gezahlet hat, in Aufrechnung bringen lassen werden.
Obschon die Kosten dieses Kriegs-Contingents lediglich Unseren Unterthanen zu tragen obliegen, zumahlen sie auch der Personal-Stellung überhoben wurden, so wollen Wir doch aus besonderer Gnade an diesen ausserordentlichen Kriegslasten Theil tragen und jenen auf den Capitals-Werth Unserer oben [durch] § 3 von der permanenten Steuer ausgenommenen Cameralgüter ausfallenden Steuerbetrag leisten; dagegen erwarten Wir aber von unseren getreuen Unterthanen, dass sie mit Abführung der ihrigen Beyträge um so eifriger sich zeigen werden.
§ 13
Wer aber die Steuer binnen den festgesetzten Terminen nicht bezahlt, der wird als ein Pönale zehn Procente von dem Steuerausstande zu bezahlen ebenfalls executivisch angehalten werden.
Gegeben zu Wien, den 22. April 1807.
Johann, Fürst von und zu Liechtenstein
L.S.
Franz v. Haymerle, Fürstl. Hofrath und Kanzley-Director.
Nach Sr. Durchlaucht höchst eigenem Befehle:
Theobald v. Walberg, Fürstl. Hofrath.